Die läutende Stadt und die Laterne Gottes – ein Bummel durch Metz

“Metz?” –
“Ja, Metz!” –
“Wo liegt denn das?”

So fangen viele Gespräche an, die ich mit Deutschen über Metz führe. Die meisten haben den Namen dieser Stadt gerade einmal irgendwann und irgendwo gehört. Andere französische Städte wie Lyon, Toulouse, Bordeaux und natürlich Paris sind da deutlich bekannter. Dabei war Metz im Mittelalter eine unglaublich bedeutende Stadt, in der zahlreiche Reichstage stattfanden und auch Bischofskonferenzen.

Temple Neuf - Saint Etienne Metz
Temple Neuf und Saint Etienne – Metz
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0


Heute aber scheint Metz eher vergessen und in einen Dornröschenschlaf verfallen, zumindest im Bewusstsein der Deutschen. Das Elsass ist bekannt und auch die dortigen Städte wie Colmar und Straßburg, aber Lothringen und Metz? – Nein, das hat man eigentlich nie gehört, zumindest nicht bewusst und so ist es auch den meisten nicht klar, dass so es nahe liegt. Von Düsseldorf aus etwa sind es nur gut 300 Kilometer bis nach Metz, bis zu diesem vergessenen Stück Frankreich, das quasi direkt vor der Haustüre liegt und so viel zu bieten hat.

Temple Neuf - Metz
Temple Neuf Metz
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Man nennt sie die „läutende Stadt“ – Metz – diese Stadt mit ihren knapp 120.000 Einwohnern, die heute die Hauptstadt des Départements Moselle ist und seit 2016 zur Region Alsace-Champagne-Ardenne-Lorraine gehört. Sie ist alt diese Stadt und hat eine Menge von Geschichte und Geschichten erlebt, die man ihr noch heute deutlich ansieht. Von römischen Spuren, über mittelalterliche Bauwerke bis hin zu einem neuen Centre Pompidou reichen die Sehenswürdigkeiten, die Metz zu bieten hat.


Die Geschichte von Metz

„Götterburg“ – Divodurum, lautet der ursprüngliche keltische Name von Metz und irgendwie passt dieser Name auch noch heute, denn die ganze Stadt wird bis heute von der Kathedrale Saint-Étienne überragt, die schon weitem, wenn man über die A31 in die Stadt hineinfährt, zu sehen ist.
Ihren heutigen Namen verdankt die Stadt ihren ursprünglichen Gründern und Bewohnern: dem Keltenstamm Mediomatricum, dessen hochmittelalterlicher Name Mettis bzw. Metis lautete.

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Das Gallo-romanische Metz, Quelle: Wikimedia Commons, Autor Thierry Schoendorf

Im Jahr 52 v. Chr. wurde die keltische Siedlung von den Römern erobert und zu einer der größten Städte Galliens ausgebaut, die im 2. Jahrhundert bereits 40.000 Einwohner hatte. Damit war sie größer als Paris. Ein Umstand, den sie sicher auch ihrer Lage an der Mündung der Seille in die Mosel und an der wichtigen Straßenkreuzung nach Reims, Trier, Straßburg, Mainz und Lyon zu verdanken hat.

Das Frühmittelalter, die Zeit der Merowinger und Karolinger also, ließ Metz noch weiter an Bedeutung gewinnen: es wurde zu einer der bedeutendsten Städte des Fränkischen Reiches. Weitere Hauptorte dieses Reiches waren Reims, Köln, Trier und nicht zu vergessen Aachen, der Krönungsort der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, das sich später “deutscher Nation” nannte. Im Zuge der karolingischen Reichsteilung, die 843 nach dem Tod Ludwigs des Frommen wirksam wurde, fiel Metz zunächst an das Lotharingische Mittelreich und später dann an das Ostfrankenreich.

Bis in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges hinein blieb Metz offiziell ein Teil dieses Heiligen Römischen Reiches und als freie Reichsstadt, die es ausgangs des 12. Jahrhunderts wurde, schuf sich die Stadt ein eigenes Herrschaftsgebiet und stieg im Verlauf des 14. Jahrhunderts zur flächenmäßig größten Reichsstadt auf.

Realiter (deshalb im vorangegangenen Abschnitt die Formulierung „offiziell“) besetzte der französische König Heinrich II. die Stadt Metz am 10. April 1552. Auf Basis des Vertrags von Chambord, den die protestantischen Reichsfürsten mit dem französischen König geschlossen hatten, wurde Heinrich II. das Reichsvikariat über die Reichsstädte Metz, Toul, Verdun und Cambrai zugesichert, jene Städte, die zwar „von alters her“ zum Reich gehörten, jedoch „nicht deutscher Sprache“ waren. Versuche der Metzer Bürger diesen Einmarsch zu verhindern scheiterten ebenso wie die Versuche Kaiser Karls V. Metz und die anderen Städte zurückzuerobern und so blieb die Stadt unter französischer Oberhoheit. Ein Umstand, den der Westfälische Friede im Jahr 1648 endgültig festschrieb und Lothringen zu Frankreich schlug.

Im Zuge des Deutsch-Französischen Krieges in den Jahren 1870-1871, der letztlich zur Proklamation des deutschen Kaiserreichs unter preußischer Führung am 18. Januar 1871 führte, wurde Metz mit weiten Teilen Lothringens annektiert, ebenso wie das Elsass. So entstand die sogenannte Reichslandschaft Elsaß-Lothringen mit ihrer Hauptstadt Straßburg.

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Bild: “Die Kaiserproklamation” von Anton von Werner
Public Domain, via Wikimedia Commons

Allerdings musste man in Deutschland feststellen, dass 300 Jahre doch eine sehr lange Zeit sind … Die Jahrhunderte zwischen 1552 und 1871 hatten sowohl aus den Lothringern, als auch aus den Elsässern Franzosen gemacht, die die Annexion durch Deutschland keinesfalls begrüßten, sondern sich sehr ablehnend zeigten, so dass der preußische Ministerialrat Ludwig Adolf Wiese 1871 über einen Besuch in Elsaß-Lothringen schrieb:

„Der Gesamteindruck […] war aber mehr niederschlagend als hoffnungsreich. Die Entfremdung der Lothringer und ebenso der Elsässer von Deutschland ging viel tiefer und ihre Anhänglichkeit an Frankreich war inniger als ich erwartet hatte; sie hatten keine nationale Fühlung mehr mit uns. Es machte den Elsässern nichts, daß sie in Frankreich doch eigentlich nur für eine niedere und unvollkommene Species von Franzosen galten, ja oft zu komischen Figuren gebraucht wurden; es war dennoch eine Ehre, zu ihnen, zur grande nation zu gehören. […] räthselhaft und betrübend war mir, wie das Blendende des französischen Namens, das Bestechende der französischen Bildungsformen, und schließlich die große Macht der Gewohnheit auch edlere und gebildetere Geister gefangen genommen […] hatte …“

Quelle: Ludwig Adolf Wiese: Lebenserinnerungen und Amtserfahrungen. Erster Band, Berlin 1886, S. 334–336; zitiert nach: Gerhard A. Ritter (Hrsg.): Das deutsche Kaiserreich 1871–1914 (Kleine Vandenhoeck-Reihe, 1414), 1977, S. 181: Die annektierte Provinz Elsass-Lothringen. Quelle: Wikipedia:

In den Jahren zwischen 1871 und 1918 wurde Metz zur stärksten Festungsstadt des Deutschen Reiches ausgebaut. Viele französisch-sprachige Einwohner emigrierten aus der Stadt und zogen ins Umland, so dass Metz bald mehrheitlich deutschsprachig war, anders als das gesamte Umland.

Nach dem Ende des 1. Weltkriegs und den Bestimmungen des Versailler Vertrags kam Metz, zusammen mit Lothringen und dem Elsass wieder zurück an Frankreich. Die deutschen Bewohner wurden ausgewiesen und Metz wurde wieder eine französische Stadt in der auch eben diese Sprache gesprochen wurde.

Im Verlauf des 2. Weltkriegs wurde Metz am 14. Juni 1940 zur „offenen Stadt erklärt“ und der Waffenstillstand von Compiègne vom 20. Juni 1940 schloss Elsaß-Lothringen erneut an das Deutsche Reich an, bis Metz im November 1944 durch US-Truppen befreit wurde.


Entdeckungsbummel durch Metz

Läuft man heute durch Metz, durch diese Stadt, die an manchen Stellen ein klein wenig an Venedig erinnert, weil sie so sehr vom Wasser geprägt ist und ihre Häuser bis in die Flussarme hineingebaut sind, dann macht man eine Zeitreise, die in der Antike beginnt und sich bis in die Jetztzeit hineinzieht. Vieles ist hier erhalten geblieben aus all den Jahrhunderten der oftmals wechselvollen, immer aber bedeutenden Geschichte dieser Stadt, die auf keltischen Wurzeln errichtet ist und die man auch die „läutende Stadt“ nennt, denn sie wird beherrscht von scheinbar unendlich vielen Glockentürmen, die zu den zahlreichen Stiftskirchen und Klöstern gehören, die es in der Stadt bis heute gibt.

Stadtansicht Metz
Bild: Ansicht von Metz
François de Nomé [Public domain], via Wikimedia Commons

Die Kathedrale Saint Etienne

Die bedeutendste und augenfälligste dieser Kirchen ist die Kathedrale Saint Etienne, die „Laterne Gottes“, die diese Bezeichnung den zahlreichen und ausgesprochen prachtvollen Glasmalereien auf 6500 Quadratmetern Fläche verdankt. Diese bunten und beeindruckenden Fenster bieten eine Zeitreise durch die Geschichte der Glasmalerei. Hier findet sich das typische Rosa des 14. Jahrhunderts in den Fenstern eines Hermann von Münster ebenso wie die eigenwillige Buntheit eines Marc Chagall, der in den Jahren 1960 bis 1963 Buntglasfenster für das linke Querschiff der Kathedrale herstellte, die die Genesis, die Schöpfung, Adam und Eva und auch den Fall Jerusalems zeigen.

Eine erste Kirche hatte bereits um das Jahr 280 bestanden. Errichtet worden war sie vom später heiliggesprochenen Clemens, dem ersten Bischof von Metz, der der Legende nach die Stadt von einer Schlangenplage befreit haben soll und von dem Drachen Graoully.

Graoully
Drache Graoully – Metz Bild von Horace Castelli – 1872
[Public domain], via Wikimedia Commons

Im Jahr 451 wurde die Kirche nach einer Plünderung der Stadt an ihren heutigen Standort verlegt und stand so über lange Zeit hinweg direkt neben der Stiftskirche Notre-Dame de la Ronde. Im Jahr 1250 erhielt die Kirche Saint Etienne ihren heutigen Grundriss durch Zusammenlegung mit der Stiftskirche.

Kathedrale Saint Etienne Metz
Kathedrale Saint Etienne – Metz
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Bis heute beeindruckt die Höhe dieser Kathedrale: 42 Meter Höhe misst das Gewölbe, das ab dem Jahr 1359 von Pierre Perrat errichtet wurde. Nach gut 140 Jahren war der Bau der Kathedrale im Jahr 1520 abgeschlossen. Der Glockenturm, der die „Dame Mute“ beherbergt, die einstmals die Bewohner der Stadt vor Gefahren warnte, misst 90 Meter und ist schon von Weitem sichtbar. Der französische Lyriker Paul Verlaine, der 1844 in Metz geboren wurde nannte die „Dame“ die „mächtige Stimme Gottes“ und mächtig ist sie nicht allein ob ihrer 11 Tonnen Gewicht, sondern vor allem ob ihres Klangs.

Kathedrale Saint Etienne Metz
Kathedrale Saint Etienne Metz
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Das mittelalterliche Metz

Das mittelalterliche Metz findet man am augenfälligsten in den zahlreichen Kirchen, die sich an fast jeder Ecke der Altstadt finden lassen. Aber auch zahlreiche andere mittelalterliche Gebäude, wie etwa der Kornspeicher von Chèvremont oder das Hôtel Saint-Livier, das Maison des Têtes und vor allem der Place Saint-Louis, der Place Sainte-Croix und der Place Saint-Jacques zeugen von der bedeutenden Geschichte der Stadt im Mittelalter.

Tor der Deutschen Metz
Porte des Allemands Metz
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Angezogen werden Touristen vor allem „Deutschen Tor“, der Porte des Allemands, dem letzten erhaltenen Stadttor von Metz. Seinen Namen verdankt es dem ehemals benachbarten Hospital des Deutschen Ordens. Erbaut wurde dieses mächtige Torwerk um 1230 und im Jahr 1445 durch noch größere Befestigungstürme und eine Brücke ergänzt. Ein zusätzliches dreieckiges Bollwerk wurde dann in den Jahren 1526 bis 1529 durch Philipp Dex an das schon zuvor ausgesprochen beeindruckende Tor angebaut.
Anders als die übrige mittelalterliche Befestigung, die im 17. Jahrhundert vom Festungsbaumeister Vauban abgetragen wurde, um eine neue und moderne Befestigung zu errichten, blieb das Tor der Deutschen erhalten und wurde in die neue Anlage eingefügt.

Baumeister Vauban
Porträt: Sébastien Le Prestre de Vauban
von Hyacinthe Rigaud, nach 1703, Public Domain
via Wikimedia Commons

Das heitere Metz

Das 18. Jahrhundert brachte große Veränderungen für die Stadt mit sich. Die mittelalterlichen Gassen waren zu eng geworden, man wollte Licht, Luft und das berühmte savoir vivre. So zog die spätbarocke Heiterkeit in die Stadt ein. Neue öffentliche Gebäude, wie das Rathaus wurden errichtet und vor allem der Platz neben der Kathedrale der Place d’Armes vollständig umgestaltet.
Vor allem der Place de la Comédie, der Place Saint-Thiébault und der Place de France zeigen dieses neu aufkeimende Lebensgefühl und geben beredten Ausweis von der Lebensfreude und der Kultur dieser Stadt im 18. und 19. Jahrhundert.

Theaterplatz Metz
Place de la Comédie Metz
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Das preußische Metz

Zwischen 1870 und 1918, den Jahren der Gründerzeit, als Metz zum Deutschen Reich gehörte, wurde die Stadt weiter ausgebaut. Der Architekt Conrad Wahn entwarf 1902 Pläne für einer Metzer Neustadt. Diese Neustadt war vollkommen unabhängig vom alten Kern der eigentlichen Stadt. Ein neuer Bahnhof, eine Post, Banken, ebenso ein Krankenhaus wurden geplant und in Teilen auch schon umgesetzt bevor Metz nach dem Ersten Weltkrieg wieder an Frankreich kam.
Da aber die deutschen Pläne offenbar gut waren, sich bewährten und die Neustadt Metz einen Aufschwung brachte, wurden die Pläne Wahns auch unter französischer Regierung voll realisiert und im Jahr 1939 war der Bau des neuen Metz abgeschlossen.

Ein besonders beeindruckendes Beispiel des preußisch-deutschen Architekturplans ist der Bahnhof von Metz, der zwischen 1905 und 1908 nach den Plänen des Architekten Kröger gestaltet wurde.
Das Aushängeschild des deutschen Bürgertums, das sich nach und nach in der Stadt niederließ, war die Avenue Foch. Hier finden sich prunkvolle großbürgerliche Prachtbauten in den verschiedensten Stilrichtungen.

Bahnhof von Metz
Foto: By Toksave, CC BY-SA 4.0
via Wikimedia Commons

Das moderne Metz

Auch heute noch wächst Metz weiter und auch heute noch entstehen hier architektonische Meisterwerke, die dem Gesicht der Stadt einen neuen Ausdruck verleihen. Das augenfälligste Beispiel hierfür ist sicherlich das Centre Pompidou. Auf einer Fläche von 1200 Quadratmetern werden hier vor allem Werke des 20. Jahrhunderts ausgestellt, die zum Fundus des Centre Pompidou in Paris gehören.
Eröffnet wurde dieser neue Museumsbau am 11. Mai 2010 und hat seither hunderttausende von Besuchern angezogen.

Centre Pompidou Metz
Das Centre Pompidou in Metz –
Foto: Carsten Müller via Wikimedia Commons, CC by SA 3.0

Damit ist mein erster Rundgang durch Metz abgeschlossen und ich wende mich den profanen Dingen des heutigen Metz zu, dem Marché zum Beispiel in dem man so herrlich einkaufen kann. Hier gibt es vom Hummer über Käse bis hin zur lothringischen Spezialität schlechthin, den Mirabellen, einfach jede Art von Köstlichkeit, die das müde Wandererherz erquickt, um einmal in einem leicht poetischen Ton fortzufahren, der einem in dieser Stadt, die die Auszeichnung als schönste illuminierte Stadt Frankreichs erhielt, leicht in den Sinn kommen kann.
Danach werde ich mich wohl in die Bar a la Lune setzen, direkt gegenüber und auf das Eingangsportal von Saint Etienne schauen, um vielleicht den Stein der Weisen zu finden (was es damit auf sich hat erkläre ich später einmal). Vielleicht hilft mir ja der Cremant dabei. Wer weiß …

Hauptportal Saint Etienne Metz
Hauptportal Saint Etienne Metz
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Beitragsbild:
Metz – Blick auf Temple Neuf und Saint Etienne
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

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