#PalaceDay – 19. Juli 2017 geht auf Reisen
Der #PalaceDay ist ein erst zum zweiten Mal stattfindendes Event auf Twitter. Schlösser und Paläste in ganz Europa finden sich an diesem Tag in den Sozialen Medien (insbesondere auf Twitter) zusammen und zeigen Bilder und Teile ihrer Bestände; vor allem solche, die sonst hinter den Kulissen bleiben.
In diesem Jahr widmet sich der #PalaceDay vor allem dem Thema „Reisen“. Also bin ich mal tief in die Festplatte meines Schleppis abgetaucht und habe nach „Reisen“ gesucht, nach Reisen, die in Verbindung mit Höfen, mit Schlössern und Palästen stehen und ich bin fündig geworden:
Gefunden habe ich viele neuere und ältere Bilder von Schlössern und Palästen und auch eine Geschichte, die sich mit dem höfischen Reisen beschäftigt.
Carl Ernst von Malortie und das höfische Reisen
Carl Ernst Unico von Malortie war eine skurrile Persönlichkeit, er war ein Dinosaurier, ein Übergebliebener, ein Mann, der noch in der alten höfischen Welt lebte, zu einer Zeit wo die eigentlich schon Geschichte war. Und Carl Ernst Unico von Malortie war Oberhofmarschall und das nicht an irgendeinem kleinen und unbedeutenden Hof, er war der Oberhofmarschall im Königreich Hannover. 1836 wurde er Hofmarschall des Herzogs von Cumberland, später dann auch Reisemarschall und Oberhofmarschall.
Der Hof und das höfische Zeremoniell waren sein Leben und nicht nur, dass er als oberster Hofbeamter für die täglichen Geschicke des hannoverschen Hofes zuständig war, er schrieb auch Bücher, die sich mit eben dieser Organisation beschäftigten.
Das wohl bekannteste und wichtigste ist „Der Hof-Marschall. Handbuch zur Einrichtung und Führung eines Hofhalts“. Erstmals erschienen im Jahr 1842 erlebte dieses Handbuch noch zwei weitere Auflagen und auch Erweiterungen in den Jahren 1846 und 1867.
In der erweiterten Auflage von 1846 findet sich ein ausführliches Kapitel über die Reisen eines Hofes, das ich hier zitieren möchte und das interessante Einblicke in höfische Reisen erlaubt:
„Die Reisen und desfalls erforderliche Einrichtungen.
Auch bei der Einrichtung der Reisen der Allerhöchsten Herrschaften bleibt das Hauptziel der Administration, die möglichste Annehmlichkeit mit der thunlichsten Ökonomie zu vereinigen.
Ich bin freilich der entschiedenen Ansicht, daß das Resultat der Leistung bei allen Hof-Administrationen der wichtigste Punct ist; eine unzeitige Ökonomie ist der größte Fehler und oft werden Tausende durch weniger gute Leistungen verschwendet, während man Hunderte zu sparen versucht.
Die Reisen können nun gedoppelter Art sein, entweder in Verbindung mit Ablagern im Lande, oder größere Reisen, wo es hauptsächlich auf die rasche und zweckmäßige Beförderung ankommt. Da indeß diese letztere bei jeder Reise in Frage kommt, so will ich zunächst die Einrichtung der letzteren Reise genauer erörtern.
Sobald der Allerhöchste Befehl für eine Reise erlassen ist, sobald feststeht, wohin gereist wird und worin das Gefolge besteht, wir zunächst
1) der General-Plan der Reise entworfen […]
2) die Route festgestellt und eventuell die Tagereisen normirt
3) ein Laufzettel entworfen und eventuell, soweit man fremde Staaten berührt, wegen Zahlung der zu notirenden Postkosten ein Requisitionsschreiben erlassen;
4) für jeden Wagen einem Lakaien ein Zettel nach der Anlage No. 96 behuf Zahlung der Trinkgelder und ein Vorschuß eingehändigt. Die Trinkgelder werden nach den in der Anlage No. 93 angegebenen Sätzen normirt.
5) Endlich wird den mitgehenden Livree-Bedienten die Reise-Livree zugestellt. Diäten werden nach dem sub No. 98 anliegenden Reglement vergütet.
Man sucht nun, da der Transport stets und in allen Fällen thunlichst rasch gehen soll, die Stationen bei den fürstlichen Reisen möglichst abzukürzen und da ist das generelle Princip angemessen, die Stationen durch außerordentlich gelegte Relais auf 2 Meilen eine jede zu beschränken.
Was die Ablager bei Jagden angeht, so wird hier die Hofhaltung ganz wie in der Residenz selbst, eingerichtet […] Die Rechnung über jede Reise muß besonders aufgestellt und abgeschlossen werden, und geschehe dieses namentlich auch allen Ablagern und Defrayement. Nur auf diese Weise ist es möglich, eine Controle gegen den Haupthaushalt zu erhalten.
Bei der Einrichtung einer Reise wird die Administration für die Ersparung unnöthiger Kosten vieles thun können, und ist hier das Hauptaugenmerk, auf eine angemessene Beschränkung der Transportmittel zu nehmen.
Wenn dieses nun hauptsächlich durch zweckmäßige Einrichtung der Reisewagen erzielt wird, wobei namentlich in Deutschland die Beförderung mit 4 Pferden zum Grunde gelegt werden muß, da mit diesen fast allgemein 2 Herren und 4 Diener (letztere auf 2 Böcken) transportiert werden können, so kann namentlich bei dem Transporte eines herrschaftlichen Haushalts durch zweckmäßige Einrichtungen manche vorteilhafte Resultat erreicht werden. Was den Transport der zur Führung eines Haushalts erforderlichen Personen anbetrifft, so wird dieser sich leicht bewerkstelligen lassen, da namentlich bei größeren Hof- und Ablagern diese auf Omnibus-Wagen und dergleichen mehrsitzigen Fuhrwerken auf das zweckmäßigste gefördert werden. Schwieriger bleibt dagegen der Transport der haushaltungsgegenstände nach allen den Orten, wo, wie z. B. auf Bädern u. s. w., keine eingerichtete Schlösser bestehen. Zu diesem Behuf ist es nun angemessen, eigene Fourgons zu besitzen, welche die sämmtlichen Haushaltungsgegenstände aufnehmen, und enthält Anlage No. 99 die Beschreibung zweier Wagen, welche, wenn sie beide beladen sind, außer 4 Personen, den ganzen Haushaltsbedarf für 52 Personen, oder wenn nur einer beladen ist, für 24 Personen enthalten.
Auf den Reisen ist bei Besuchen der höchsten Herrschaften endlich wünschenswerth, Normen oder Anhaltspuncte für Präsentgelder etc. zu besitzen. […].“
Es gab also ganz schön viel zu organisieren, wenn solch ein Hof auf Reisen ging und es ist in der Tat beeindruckend zu sehen, was ein solcher Hof, wenn er auf Reisen ging, so alles mitnahm.
Schauen wir uns Anlage Nr. 99 bei Malortie an:
„Es war die Aufgabe gestellt, eine hinreichende Anzahl von
1) Kupferzeug und Küchengeräthe,
2) Silber-Vaissellen,
3) Porzellan,
4) Weißzeug,
5) Glas, Wein etc.,
6) Caffee-, Thee-Service etc.,
7) Conditoreigegenstände
auf Reisen zu transportieren, um auf eine leichte Weise sowohl unterweges, als auch bei längerem Aufenthalte in Bädern, in mit jenen Gegenständen nicht versehenen Schlössern, so wie auf Jagden und endlich an jedem dritten Orte Hof halten zu können.
Um diese Aufgabe zu lösen, hat man zunächst angenommen, daß 50 bis 60 Personen oder 20 bis 30 Personen bewirthet werden sollten, und ergab das Bedürfniß für die größere Anzahl folgenden Bedarf an hölzernen Kisten:
3 Kisten für sämmtliches Kupfer- und Küchengeräthe, wovon jede 3‘ 4 ¼ ´´ lang, 2´ 4 ¼ ´´ hoch und 1´ 8 ¾ ´´ breit ist, und welche insgesamt
80 diverse Casserollen
16 „ Pfannen
13 „ Kessel
28 „ Kellen und Löffel
74 „ Formen
20 verschiedene Piecen
von Kupfer,
42 Stück zinnernes und blechernes Geschirr,
50 Stück eisernes Geschirr,
12 Stück hölzernes Geschirr enthalten;
3 Kisten für sämmtliche Silber-Vaissellen […] welche insgesammt
7 Dutzend Eßlöffel,
7 „ Theelöffel,
15 „ Messer und Gabeln,
6 „ Dessert-Messer und Gabeln,
6 „ Austerngabeln,
15 „ Teller,
1 ½ „ Präsentirteller,
6 „ Schüsseln verschiedener Größe,
3 „ Salzfäßer mit Spaden,
6 „ verschiedene Leuchter,
60 Stück verschiedenes Silberzeug enthalten;
1 Kiste für Porzellan […] 21 Dutzend tiefe und flache Teller enthält;
1 Kiste für Weißzeug welche […]
14 Dutzend Tafel-, Frühstücks-, Büffet-, Silber-, Bett- und Pack-Laken.
65 Dutzend Tafel-, Fisch-, Wasch- und Wisch-Servietten,
8 Dutzend Handtücher,
31 Stück Kissenüberzüge enthält;
3 Kisten für die Kellerei, […] welche sämmtlich
60 mit Wein gefüllte Caraffen,
100 Flaschen Wein,
400 Gläser enthalten;
2 Kisten für die Caffeeküche […]
No. 1
50 Paar Tassen,
2 große Caffeetöpfe,
2 Dutzend kleine Frühstückteller,
2 große Viltrirtöpfe und diverse kleinere Gegenstände;
No. 2
Provisionen, als Zucker, Caffee, Thee etc. enthält.
[…]
Zu diesen 13 Kisten sind 2 Fourgons gebauet, von denen der eine 8, der zweite, um 1/3 kleinere, 5 Kisten faßt, außer den größeren Provisionen für 3 bis 4 Diners, welche in Körben oben aufgesetzt werden.
[…]
Die Gegenstände werden bis auf die in und auf einander passenden Kupfergeräthe, welche eigens zu diesem Behufe anzufertigen sind, nur in die Kisten verpackt. Jeder Fourgon wird mit 4 Pferden gefördert und haben 2 bis 3 Personen in dem Coupé Raum.“
Na, dann wünsche ich mal gute Reise! Bon voyage!
Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen
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