Lieblingsbücher, Teil 2
Sybille Haynes: Die Tochter des Augurs
Auch mein zweites Lieblingsbuch könnte man, platt gesprochen, als eine Art historischen Roman beschreiben, denn auch hier werden fiktive Figuren ersonnen, um ein wenig Leben in eine längst vergessene Zeit zu bringen, um sie anschaulich zu machen und besser vermitteln zu können.
Und auch diesmal ist der Autor – besser gesagt in diesem Fall die Autorin -, wie schon im Fall von Marcus, dem Römer, nicht etwa ein klassischer belletristischer Autor, sondern eine Fachfrau für Archäologie und Etruskologie.
Die Autorin Sybille Haynes wurde 1926 in Leverkusen geboren und studierte klassische Archäologie, Alte Geschichte, Kunstgeschichte und Ethnologie. Spezialisiert hat sie sich dann auf die Etruskologie. Ihr Ehemann, Denys Haynes, war lange Jahre Leiter der griechisch-römischen Abteilung des British Museum in London und so bot sich Sybille Haynes die Möglichkeit als ehrenamtliche Kuratorin die dortige etruskologische Sammlung einzurichten und zu betreuen. Sie ist also eine wirkliche Fachfrau, wenn es um die Geschichte und die Kultur der Etrusker geht, jenem antiken Volk, das in Etrurien, im nördlichen Mittelitalien, beheimatet war und das etwa in der Zeit zwischen 800 v. Chr. und 100 v. Chr. so bedeutend war und auch die spätere römische Geschichte so sehr beeinflusste; insbesondere in Bezug auf die Religion.
Eben diese Religion und die religiöse Vorstellungswelt ist es auch, die eine wichtige Rolle im Buch „Die Tochter des Augurs“ spielt: Hauptfigur ist Larthi, die Tochter des obersten Auguren in Casri (Cerveteri), die wir erstmal im Alter von 13 Jahren kennenlernen. Ihr Leben ist bestimmt von der etruskischen Religion, von den Zeichen, die es zu lesen gilt, vom Vogelflug und von Ritualen, die die Götter besänftigen. Ihr Vater, der Augur, führt sie in alle diese Kenntnisse ein du so lernen auch wir als Leser viel über diese Vorstellungswelt.
Aber auch über die historischen Hintergründe der Zeit um 500 v. Chr. erfahren wir viel, über den Zerfall der Adelsherrschaft in Etrurien, über die kriegerischen Auseinandersetzungen, die Geschichte der Karthager und Griechen, über Seehandel und vor allem auch über die Anfänge der römischen Geschichte und über den Sturz der Tarquinier.
All dies wird geschildert entlang des roten Fadens, den Larthis Leben vorgibt und zeigt, dass auch eine längst vergangene und heute kaum mehr Beachtung findende Epoche, wie die der Etrusker und der frühen römischen Republik, spannend und gleichzeitig fundiert beschrieben werden kann.
Klar ist jedenfalls, dass es sich bei Sybille Haynes „Tochter des Augurs“ um keinen klassischen historischen Roman handelt (wer einen solchen erwartet, sollte lieber etwas Anderes lesen), sondern eher um eine schriftliche Geschichtsdokumentation.
Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen