Tell a Story – aber bitte digital

Digital Storytelling als Methode der digitalen Kulturvermittlung

Geschichten zu erzählen ist eine zutiefst menschliche Eigenart, ebenso wie die Geschichten zuzuhören oder aber anzuschauen.
Mit die ältesten Menschheitszeugnisse sind Höhlenmalereien und die erzählen vom Leben der Menschen, von der Jagd und von ihrem Lebensraum, ihren Erlebnissen. Da ist es nicht vollkommen unvorstellbar, dass unsere Urahnen vor tausenden von Jahren abends in ihren Höhlen rund ums Feuer saßen und anhand der Bilder ihre Geschichten erzählten.

Nichts anderes tun wir heute – nur tun wir es mit anderen Mitteln und eben gerne digital.

Aber schon damals in den Höhlen wurde mit dem Erzählen der Geschichten auch Wissen weitergegeben. Die Bilder erläutern zum Beispiel Jagdtechniken und sie stellen die verschiedenen Tierarten dar, die es gab und die man jagen konnte.
Auch heute noch lernen Menschen durch erzählte Geschichten. Erinnern Sie sich doch mal an Ihren Geschichtsunterricht in der Schule, haben Sie auch das Tagebuch der Anne Frank gelesen? – Und? – Haben Sie dadurch nicht auch mehr über die Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust gelernt? – Vielleicht sogar mehr als durch den Zahlen- und Fakten Unterricht? – Ja?

Storytelling – Geschichten mit Emotionen verbinden

Das hat einen einfachen Grund: Wir Menschen lernen besonders gut in Verbindung mit Emotionen. Wenn ich Sie hier also zum Lachen, Weinen oder Fluchen bringe, dann werden Sie sich viel länger an diesen Beitrag und seinen Inhalt erinnern, als wenn ich Sie mit schlichten Fakten erschlage und ggf. langweile.

In meinem eigenen Interesse sollte ich jetzt also eigentlich einen Witz einstreuen oder eine völlig unhaltbare These, aber das lasse ich mal und zeige Ihnen stattdessen einfach ein total niedliches Kätzchen. Das hat zwar auf den ersten Blick nichts mit dem Thema zu tun, auf den zweiten aber sehr wohl.

weiße Deutsch Langhaarkatze
weiße Deutsch Langhaarkatze
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Sie wissen worauf ich hinaus will? – Richtig! Ich habe gerade Ihre Emotionen angesprochen und so bleibt Ihnen das niedliche Kätzchen in Erinnerung und hoffentlich auch das ein oder andere Stichwort aus diesem Beitrag. Und wenn ich Glück habe, dann merken Sie sich, dass Sie diesen Beitrag hier auf Kultur – Geschichte(n) – Digital gelesen haben. Damit hätte ich dann mein Ziel erreicht.

Storytelling

Digital Storytelling – was bedeutet das überhaupt?

Digital Storytelling hat (inzwischen) viele Bedeutung. Allen Bedeutungen gemein ist, dass sie eine Verknüpfung vom Geschichtenerzählen und digitalen Mitteln meinen.

Ursprünglich meint Digital Storytelling eine Methode, die es ermöglicht die Geschichten von Menschen zu sammeln und dann in einer sehr kompakten und multimedialen Form zu erzählen und zu vermitteln. So wird es möglich sowohl Ausstellungen in Museen, als auch Webseiten anschaulicher und für ein größeres Publikum interessant zu machen.

Entwickelt wurde diese Methode Anfang der 1990er Jahre in den USA, genauer gesagt in Berkeley vom „Center for Digital Storytelling“. Das Ziel der beiden Begründer dieser Methode – Joe Lambert und Dana Atchley – war es Geschichten von Menschen zu sammeln, in eine digitale und mediale Form zu bringen und zwar in einer Art und Weise, dass diese Geschichten andere Menschen berühren. So, so die Theorie, würden diese anderen Menschen aus den Geschichten etwas lernen, ihr eigenes Handeln überdenken und im Idealfall sogar verändern.

Wichtig ist es hierbei, sich auf die absolut grundlegenden und essentiellen Momente der Geschichte zu beschränken, denn in der Kürze liegt die Würze.
Hinzu kommen Bilder – möglichst emotionale – die die Geschichte unterstützen. Auch Musik ist ein gutes Mittel, um die emotionale Wirkung zu unterstützen.

Kulturvermittlung digital
Kulturvermittlung digital

Wofür ist digitales Storytelling nützlich?

Grundsätzlich lassen sich Digital Stories fast für jeden Zweck nutzen. Schauen Sie sich Werbung an, das sind letztlich auch nur digital bzw. medial erzählte Geschichten.
Besonders gut geeignet, im kulturellen und musealen Bereich, sind digital erzählte Geschichten für Biographien, Orte, Ereignisse und Erlebnisse.

Dabei lässt sich die Methode nicht nur – wie ursprünglich gedacht – mit den Geschichten noch lebender Menschen umsetzen, die ihre Geschichten selbst erzählen. Mit Hilfe eines Sprechers oder einer Sprecherin lassen sich auch die Geschichten historischer Personen auf diese Weise erzählen.
Wichtig ist nur, dass die Geschichten die Bedürfnisse der Besucher:innen oder Seher:innen nach emotionalen Inhalten befriedigen.
Weiterhin wichtig ist, dass die Geschichten nicht zu lang sind. Als ideale Länge gelten 2 bis 5 Minuten. So lassen sie sich auch problemlos in Ausstellungen integrieren, etwa über eine Leinwand in einem abgedunkelten Bereich oder aber über Bildschirme und Multimediastationen.

Corputius Plan Duisburg
Modell des Corputius-Plans – Duisburg im Mittelalter
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Eine Stadtgeschichte von Städtern erzählt

Ein möglicher Anwendungsbereich für digitales Geschichtenerzählen ist die Stadtgeschichte. Sie bietet sich gleich aus mehreren Gründen heraus als ideales Beispiel an:

  1. Es gibt viel Menschen, die eine interessante Geschichte zu erzählen haben.
  2. Das Museum oder die Kulturinstitution kann so die Menschen in der eigenen Stadt in das Projekt Stadtgeschichte involvieren. Die Öffentlichkeit wird also aktiv in die Konzeption und in die Inhalte eingebunden.
  3. So gewinnt man nicht nur Beteiligung am Projekt, sondern auch mehr Aufmerksamkeit und am Ende wahrscheinlich zusätzliche Besucher:innen.
  4. Geschichten, die keinen Eingang mehr in die Ausstellung gefunden haben können aber dennoch bspw. im museumspädagogischen Begleitprogramm genutzt werden oder auch über Social Media.
  5. Die erzählten Geschichten können gut zu Kooperationen bspw. mit dem Stadtarchiv oder Landesarchiv oder auch Volkshochschulen und Bibliotheken genutzt werden. Auch für die Einbeziehung in den Schulunterricht sind sie hilfreich.
  6. Nicht zuletzt können die Geschichten auch als Inhalte auf der Museumswebsite und natürlich in Social Media genutzt werden.
  7. Neben der Geschichte werden den Nutzer:innen auch gleichzeitig digitale Kompetenzen vermittelt.
  8. Man kann neue Wege gehen, um Zeitzeug:innen einzubinden.
  9. Digitales geschichtenerzählen stellt einen neuen und anderen Weg des Sammelns und Vermittelns dar, der zu neuen Erkenntnissen und Inhalten führen kann.
  10. Auch Menschen, die sich bisher für die Geschichte ihrer Stadt nicht interessiert haben, können so ggf. einbezogen werden und dazu bewogen sich mit Geschichte zu beschäftigen.
Germane mit Trinkbecher Limes am Niederrhein APX
Ein Germane lädt mich ein – Ausstellung „Der Limes am Niederrhein“ – LVR-Römermuseum Xanten
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Storytelling im Museum

Kultur und Geschichte existieren weiter, auch deswegen, weil sie erzählt wurden, erzählt werden und erzählt werden werden …

Das genau ist eine der wichtigsten Aufgaben von Museen, zumal von kulturhistorischen Museen. Sie sollen Geschichte und Kultur vermitteln und Vermittlung bedeutet erzählen.

Funktionierte das Erzählen im Museum seit Erfindung der Museen tatsächlich über analoge Exponate und analoges Erzählen, so kommt heute die digitale Vermittlungsebene hinzu und da die Menschen immer stärker digital geprägt sind, sollten Museen sich hier nicht verschließen, sondern das Digitale nutzen, um mit seiner Hilfe die Geschichten zu erzählen, die man mit Hilfe der eigenen Sammlung oder mit gemeinfreien Materialien erzählen kann.

So lässt sich vor allem auch das immaterielle Kulturerbe erzählen und bewahren. Und so lassen sich individuelle Zugänge und individuelle Perspektiven erzeugen. Außerdem können auf diese Weise Menschen eingebunden werden, die sonst keinen Zugang oder aber kein Interesse am Museum und seinen Themen haben. Zu guter Letzt werden auch noch digitale Kompetenzen vermittelt.

Augmented Reality im Goethe-Museum Düsseldorf
Augmented Reality im Goethe-Museum Düsseldorf
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Das Projekt „Digital Storytelling“ – Möglichkeiten und Phasen

  1. Ein Thema finden!
    Daraus ergeben sich folgende Fragen:
    a) Wer kann passende Geschichten erzählen?
    b) Mit wem kann man kooperieren?
    c) Hat man passendes Personal oder wo findet man es?
    d) Hat man die notwendige Technik oder wo bekommt man sie her?
  2. Vorbereitung und Durchführung
    Folgende Schritte sollten in dieser Phase durchgeführt werden:
    a) Klärung der Frage wie eine Geschichte aussehen könnte, die man erzählen möchte.
    b) Ideen sammeln und ausdiskutieren.
    c) Geschichten aufschreiben. Eine ideale Länge sind 200 bis 300 Wörter.
  3. Die digitale Story erstellen
    Notwendige Schritte in dieser Phase sind:
    a) Bilder und Fotos sammeln.
    b) Ein Storyboard erstellen.
    c) Audiofiles aufnehmen.
    d) Ein Video erstellen.
  4. Die Präsentation des Ergebnisses
    Die ist an vielen Stellen möglich, so z.B.
    a) Im Internet, bspw. bei YouTube oder Vimeo.
    b) In Social Media, bspw. bei Facebook oder Instagram.
    c) In der Ausstellung, bspw. über einen Mediaguide oder eine App.

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert