6. Sonntagsspaziergang: Amt Angermund
Inzwischen ist es ganz schön kalt geworden und da ich eine bekennende Warmduscherin bin, ist es mit meinen Spaziergängen nicht mehr so weit her, nicht einmal direkt vor der Haustür im alten Amt Angermund.
Von eigenen Spaziergängen zu berichten ist also im Moment schwierig, aber es gab ja schon vor mir über Jahrhunderte hinweg zahlreiche Menschen, die spazieren gegangen sind oder auch spazieren gefahren und die über ihre Spaziergänge oder -fahrten oder auch einfach über ihre Erlebnisse beim „Sich-von-Ort-zu-Ort-Bewegen“ berichtet haben.
Warum also nicht, zumal als Historikerin, in der kalten Jahreszeit, wo es an eigener Mobilität mangelt, einmal den Blick zurückwerfen und historische Beschreibungen von Spaziergängen und anderen Fortbewegungen entdecken?
Vielleicht – oder doch eher ganz wahrscheinlich – wird man eine Menge Anregungen finden für eigene Spaziergänge, die man dann in der wärmeren Jahreszeit selber machen kann.
Also: lassen Sie uns historische Spaziergänge entdecken!
Und warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?
Lassen Sie uns also mit unseren historischen Spaziergängen quasi direkt vor meiner Haustüre beginnen mit einem Mann von dem Sie wohl garantiert noch nie etwas gehört haben, wenn Sie nicht gerade im alten Amt Angermund zuhause sind:
Der Mann, mit dem wir beginnen ist Heinrich Schmitz, seines Zeichens Lehrer und Heimatforscher eben in jenem alten Amt Angermund, dessen Geschichte er als Erster aufgeschrieben hat.
Am Ende seines Buches über „Angermunder Land und Leute“ präsentiert uns jener Heinrich Schmitz ein paar Spaziergänge, die er unternommen hat. Manche Wege, die er dabei gegangen ist, gibt es nicht mehr, denn hier entstanden inzwischen ein Flugplatz, ein Gewerbegebiet oder auch einfach nur ein Neubaugebiet, auch manche der Gebäude, die er am Wegesrand sah, sind inzwischen zerfallen und nicht mehr zu finden. Anderes aber ist noch da, kann heute noch bewundert und erlaufen werden.
Eine Wanderung durch das Amt Angermund
Die erste Wanderung, bzw. der erste Spaziergang, den Schmitz uns vorschlägt führt nach Lintorf. Schmitz schreibt dazu:
„a) Nach Lintorf. Von Angermund verfolgt man den Weg, der östlich über den Rahmerbach führt. Im Sommer ist der Weg Schattig, er bietet reiche Abwechslung. Wenn man die Lintorfer Wiesen passiert hat, überschreitet man den Dickelsbach und wendet sich gleich auf den schönen Waldpfad, der durchs Eichförstchen an der Anstalt Siloah nach Lintorf führt. Ein Gang für Wanderer, die mit einer kurzen Wegestrecke vorlieb nehmen, Die Straße ist allerdings sehr belebt.
b) Nach Großenbaum resp. Wedau. Man verfolgt den unter a beschriebenen Weg bis zum Dickelsbach, schwenkt dann gleich links auf den Waldweg, der nach Norden führt. Ein wirklich einsamer Waldweg, voll abwechslungsreicher Partien. Da grüßt ein dunkler Tannenbusch, ein herrlicher Eichenwald schiebt sich an den Weg, wir schreiten an einer blumigen Waldwiese vorbei und stehen bald im Langelter, das durch seine Maiglöckchenstrecken berühmt und weithin bekannt ist. Unser Weg mündet im weiteren Verlaufe auf den Großenbaumer Weg; wandert man links, so landet man in Großenbaum; geht man zur Rechten, so führt uns der herrliche Buschweg nach längerm Wandern ins Lintorfer Gebiet oder kurz vor der Bahnstrecke links biegend nach Wedau. Ein genußreiche Wanderung, der Weg ist stellenweise sandig, man kann hier und da den Waldrand benutzen.
c) Nach Calcum-Ratingen. Von der Kellnerei aus an der Anger vorbei zur Überanger Waldmarkt und zum Forstbusch; es grüßt das Forsthaus Schall, und man wandert weiter zur Landstraße Ratingen-Calcum. Eine Partie, welche durch das Flüßchen belebt wird, einzigartige Stimmungsbilder im tiefen Walde!
d) Nach Heltorf, Winckelhausen und zur Sandmühle. Vom Bahnhof Angermund überschreitet man das Geleise und verfolgt den Pfad, der gleich am Leitsgraben nach Bilkrath weist. An diesem altertümlichen Hofe vorbeiwandernd, steht der Tourist nach kurzem Gange auf der schönen Allee, die zum Schlosse Heltorf geht. Die Torburg mit ihren Trakten ist einer Besichtigung wert, während das in einfachem Stile gehaltene Schloß von außen besehen, wenig bietet. Auf der Allee wieder zurückschreitend, geht man hinter dem Pappelhofe rechts dem Feldweg nach; der Dickenbusch, ein uralter Forst, liegt zur Rechten. An seinem Ende schreitet der Wanderer nach Norden zum alten Rittersitz Winkelhausen. Man sieht es seinem Äußern nicht mehr an, daß es der festeste Sitz in der ganzen Gegen war. Mit doppelten Wassergräben umgeben, die noch zum Teil sichtbar sind, war er in Kriegszeiten der Zufluchtsort für die flüchtende Bevölkerung der Umgegend. Das jetzige Tor stammt aus dem 17. Jahrhundert, es war bis vor kurzer Zeit mit Hisch- und Rehfüßen benagelt; leider sind nur noch geringe Überreste davon vorhanden. Rechts liegt die Schloßkapelle, im Barockstil, ein schlichtes Baudenkmal. Eine schöne Aussicht bietet sich dem Wanderer von der Kapelle aus; weit schweift der Blick nach Osten über Rahm zum Waldgebiete, während im Norden die Schlote der Fabriken sich zeigen. Der Pfad schlängelt sich von Winkelhausen an der Anger vorbei; eine kurze aber schöne Partie sehen wir. Links grüßt hohes Schilf, rechts begleiten uns Wiesen und das murmelnde Flüßchen mit den mannigfaltigsten Wassergewächsen. An der malerisch gelegenen Ölmühle und am frühern Rittergute Kesselsberg vorbei wandernd, stehen wir bald an der Sandmühle und haben damit die Straße Düsseldorf-Duisburg erreicht.“
Soweit die ersten Wanderungen bzw. Spaziergänge, die Heinrich Schmitz gemacht hat und seinen Lesern zum Nachwandern vorschlug. Es gibt noch einige weitere Spaziergänge im alten Amt Angermund, die Schmitz beschrieben hat und die an den folgenden Sonntagen hier folgen werden.
Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen
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