Zwei Galaxien prallen aufeinander – Das Rheinland und die Hohenzollern

Der #Hohenzollernwalk wirft seine Schatten voraus. Da gehen auch mir die Hohenzollern bzw die Preußen nicht mehr aus dem Kopf und ich mache mir so meine Gedanken über das Erbe, das sie hier in meiner Region, im tiefen Westen, hinterlassen haben:

Das Erbe der Hohenzollern im Westen – Gedanken zum #Hohenzollernwalk

Wäre es eine Ehe, über die wir hier reden, so würde gewiss jeder sagen, dass das unmöglich gut gehen kann. Zwar ziehen sich Gegensätze bekanntlich an, doch solche?
Auf der einen Seite haben wir die mehrheitlich katholischen, aufgeschlossenen, lebensfrohen und stets zu Späßen aufgelegten Rheinländer und auf der anderen Seite die mehrheitlich protestantischen, pflichtbewussten, freudlosen und disziplinierten Preußen.
Doch ist es keine Ehe über die wir hier reden. Es war das Ergebnis eines Krieges, genauer gesagt das Ergebnis eines Friedensvertrages, der die Rheinländer zu Preußen machte. Nun ja und gut gegangen ist es in der Tat nicht immer.
202 Jahre ist es her, dass die ehemaligen Berger, dann Pfälzer, dann Bayern, dann Franzosen zu Preußen gemacht wurden. Man kannte sich hier also mit wechselnden Herrschern aus. Mit Fremden, die sich das Gebiet des ehemaligen Herzogtums Berg einverleibten, es unter ihre Fittiche nahmen und ihm einen neuen Stil verordneten. Das war so seit dem Aussterben des ehemaligen Herrscherhauses im Jahr 1609. Die Berger mit ihrer Hauptstadt Düsseldorf hatten also gut 200 Jahre Zeit zu üben bis die Hohenzollern kamen und plötzlich alles ganz anders war.


Hohenzollern treffen auf Rheinländer

1815 war es: Der Wiener Kongress hatte beschlossen. Das alte Heilige Römische Reich Deutscher Nation hatte endgültig ausgedient, der Kaiser war Geschichte, Napoleon verbannt, die Franzosen wieder daheim und alles wurde ganz anders.

Napoleon am Rhein
Napoleon am Rhein – Stelle des Rheinübergangs der Franzosen Wanheim-Angerhausen, Franzosenweg –
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Ganz anders wurde schon die Hauptstadt: War es über Jahrhunderte hinweg Düsseldorf gewesen, das die Residenzstadt der Herzöge und auch der Großherzöge gewesen war, so war es nun auf einmal Köln. Dass diese beiden Städte Köln und Düsseldorf bis heute auf Kriegsfuß miteinander stehen dürfte sich in der gesamten Republik herumgeschwiegen haben. Es war also nur eine semi-gute Idee der Hohenzollern dies so zu lösen. Dass ausgerechnet Köln zur neuen Hauptstadt des Großherzogtums, genauer gesagt der Provinz Jülich-Kleve-Berg, wurde lag wohl auch daran, dass Köln, im Gegensatz zu Düsseldorf, eine stark befestigte Stadt war, außerdem viel größer.
Die gesamte mittelalterliche Stadtbefestigung Kölns war erhalten. Sie blieb es auch bis ins Jahr 1880. Dazu kam eine barocke Befestigung vor den Toren der Stadt, die von den Preußen in den 1820er, 1830er und 1840er Jahren nochmals ausgebaut und verstärkt wurde. Das machte die Stadt zwar zu einer der am besten befestigten Städte, aber es schnürte sie auch massiv ein. Es herrschte Chaos und qualvolle Enge. Um das Jahr 1870 lebten in Köln dreimal so viele Menschen auf einem Hektar wie in Berlin oder London.
Dass solche Verhältnisse zu Scherz, Satire und Ironie bei den Rheinländern führten ist nahezu unvermeidlich, denn der Rheinländer als solcher lebt nach folgenden Regeln:

  1. Et es wie et es.

  2. Et kütt wie et kütt.

  3. Et hätt noch emmer joot jejange.

  4. Wat fott es, es fott.

  5. Et bliev nix wie et wor.

  6. Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet.

  7. Wat wells de maache?

  8. Maach et joot, ävver nit zo off.

  9. Wat soll dä Kwatsch/Käu?

  10. Drinks de ejne met?

  11. Do laachs de disch kapott.

  12. Et hätt noch schlimmer kumme künne.

  13. Mer muss och jünne könne!

  14. Jede Jeck is anders!

  15. Levve und levve losse!

  16. Nit alles, wat en Loch hätt, is kapott!

Ganz klar also, dass man sich, speziell im Karneval über die Preußen und die Verhältnisse, die sie geschaffen hatten lustig machte. Ganz klar aber auch, dass das den hohenzollernschen Herrschern durchaus suspekt war. Vor allem Friedrich Wilhelm III. sah im Karneval ein reines Verspotten des preußischen Militärs (nun gut, das war’s auch).
Das galt übrigens insbesondere für die berühmten „Roten Funken“. Die gab es schon beim allerersten Rosenmontagszug im Jahr 1823. Ihr Vorbild waren die ehemaligen Kölner Stadtsoldaten. Sie galten gemeinhin als faul, stets betrunken, heruntergekommen und da sie schlecht besoldet waren verbrachten sie ihre Zeit lieber mit dem Stricken von Strümpfen, als mit dem Bewachen der Stadt, um sich eben ein paar Taler nebenher zu verdienen. Um dieser ohnehin schon skurrilen Truppe noch die Krone aufzusetzen nehmen sie das Gewehr verkehrt herum auf den Rücken, stehen Hintern an Hintern und tanzen „Stippeföttche“.
Und jetzt kommt das Erstaunliche: Die Preußen verstehen Spaß!
Zumindest manche von ihnen, denn die Militär-Kommandantur stellt den Karnevalisten Pferde und eine Musikkapelle. Jeder Jeck ist eben anders!
Es gab dann aber auch Einiges, das die Preußen nicht änderten: die französische Gerichtsordnung zum Beispiel, auch der Code Civil Napoleons blieb in Kraft. So entwickelte sich eine spezifisch Rheinische Rechtstradition – das „Rheinischen Recht“, das bis 1900 bestehen blieb (im Notarrecht sogar heute noch besteht) und sich weiterentwickelte.


Code Civil
Code Civil von 1804

Die Preußische Rheinprovinz

1822 wurde dann nochmal alles anders: Die preußische Rheinprovinz entstand. Von Saarbrücken bis Kleve war man nun eins. Zum Verwaltungssitz der Riesenprovinz wurde Koblenz erhoben. Der Provinziallandtag kam zurück nach Düsseldorf (man war wieder wer). Auch der Landeshauptmann nahm hier seinen Sitz (endlich wieder Residenz!).
Aber wenn wir ehrlich sind: So recht wollten wir Rheinländer keine Preußen sein. Irgendwie waren uns die Franzosen dann doch näher gewesen. Unser Rheinisches Recht mochten wir, unsere andere Lebenseinstellung. Und ausgerechnet Borrussen werden? Und dann noch mit diesen ganzen anderen Gegenden vereint, die doch historisch betrachtet nichts mit Jülich-Kleve-berg zu tun hatten? Das musste doch nun wirklich nicht sein. Aber was soll man tun „Et kütt halt, wie et kütt“.

Wappen Rheinprovinz
Wappen der Preußischen Rheinprovinz von Professor Hugo Gerard Ströhl. (1851 – 1919). (http://www.hot.ee/wappenrolle/prov.html) [Public domain or Public domain], via Wikimedia Commons

Der Charme der Rheinländer und seine Wirkung auf die Hohenzollern

Der unnachahmliche, wenn auch sicher manchmal gewöhnungsbedürftige, Charme der Rheinländer hat durchaus auf die Hohenzollern gewirkt. Vor allem Friedrich Wilhelm IV. wurde von ihm befallen. Er war eine Künstlerseele, wurde als „Romantiker auf dem Königsthron“ bezeichnet, bereiste das Rheinland, verliebte sich ins Rheinland und wohl auch in die Rheinländer.

Kölner Dom unfertig ca. 1824
Der unfertige Kölner Dom ca. 1824 von Max Hasak (1856-1934) [Public domain], via Wikimedia Commons

Insbesondere die Kölner erwiderten die Zuneigung. Sie hatten auch einen guten Grund: Sie sahen in ihm den Mann, der das Geld aufbringen konnte, um den Kölner Dom zu vollenden. Er tat es auch! Ohne Hohenzollern kein Kölner Dom. Manchmal sind die Dinge so einfach.

Kölner Dom um 1900
historische Postkarte vom Kölner Dom um 1900

Und es gibt noch ein paar andere Dinge, die wir Rheinländer im Allgemeinen, wir Berger im Besonderen, den Hohenzollern verdanken: Die Kunstakademie in Düsseldorf zum Beispiel. Die hätten wir Berger nicht, hätten hier nicht zwischendurch ein paar Hohenzollern residiert.

alte Kunstakademie Düsseldorf
Die alte Düsseldorfer Kunstakademie an der Schulstraße; Josef Kleesattel, Alt-Düsseldorf im Bild, Düsseldorf 1909
gemeinfrei

Und der Rest vom Rheinland: Da ist die berühmte Rheinromantik – quasi der Inbegriff der deutschen Seele. Allen voran Schloss Stolzenfels, das gäb‘ es nicht, hätte es nicht die Preußische Rheinprovinz gegeben. Das Deutsche Eck in Koblenz, schlicht unvorstellbar ohne ein wenig Preußen. Und auch für den Geist und die Bildung haben die Preußen etwas getan: Wir verdanken ihnen die Universität Bonn (naja, ok, dafür habe sie die Duisburger Universität endgültig geschlossen und die Insignien und die Bibliothek nach Bonn verlagert. Man muss halt auch jönne könne).

Uni bonn um 1900
historische Postkarte mit Ansicht des Hofgartens und der Universität Bonn um 1900

Und auch den Drachenfels, bzw. seine Burg sollte man nicht vergessen, denn ohne eben jenen Kronprinzen, der sich schon des Kölner Doms annahm, gäbe es auch den nicht mehr. Er wäre schlicht den Steinhauern zum Opfer gefallen. Friedrich Wilhelm IV. machte sich zum Sachwalter der Ruine und der Bergkuppe und am 26. April 1836 wurde der preußische Staat Eigentümer des berühmten Drachenfelses.
Et is also doch mal wieder joot jejange. Diesmal mit den Preußen. Wir hätten‘s schlimmer treffen können.
Klar 1848, da ist man sich an die Kehle gegangen, das passiert wenn liberale Katholiken auf disziplinierte Protestanten stoßen. Aber 1871 war ja auch alles wieder gut, man lag sich in den Armen und feierte gemeinsam das neue Kaisertum der Hohenzollern. Die Zwangspreußen hatten sich arrangiert, denn et hätt noch schlimmer kumme künne.

Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

4 Kommentare

  • Tanja Praske

    Liebe Anja,
    so ein wunderbar flockig geschriebener Geschichtsexkurs durch das Rheinland der Preußen – upps *duckganzschnellweg* 😉
    Mission fast erfüllt. Wenn Blogposts wie deiner hier im Vorfeld einer Social-Media-Aktion – #hohenzollernWalk – erscheint, dann bin ich einfach nur happy. Wir konnten motivieren. Jetzt sind es nur noch drei Tage und dann verraten wir euch am 1.7. ab 18:15 so manches Geheimnis. Ich moderiere im Netz – also, wenn du Fragen oder Bilder von HohenzollernOrte hast, nur her damit – ich leite sie an die Kuratoren weiter.
    Nochmals ein ganz herzliches Dankeschön und klar, habe ich deinen Post ins Storify aufgenommen https://storify.com/TanjaPraske/vorgluhen-zum-hohenzollernwalk-auf-der-cadolzburg- Bei mir im Blog wird er auch noch aufgenommen.
    Nochmals ein ganz herziches und dickes Dankeschön für diesen wunderbaren Artikel – habe einiges dadurch gelernt!
    LG, Tanja

    • A. Kircher-Kannemann

      Liebe Tanja,
      ich danke Dir für Deine netten Worte und Du musst Dich nicht ducken 😉 Denn ein bisschen Spaß muss auch erlaubt sein.
      Und ich muss mich auch bedanken, nämlich für die wirklich tolle Aktion des #HohenzollernWalk. Auf Samstag bin ich schon sehr gespannt und klar hab ich noch das ein oder andere in der Schublade, das ich gerne beisteuern werde 8sobald ich vom Grand Départ der Tour de France zurück bin 😉 einem Kulturereignis ganz anderer Art.
      Ich freue mich schon und wünsche alles Gute für die weiteren Vorbereitungen des #HohenzollernWalk.
      Herzliche Grüße
      Anja

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