1. Sonntagsspaziergang: Gau-Bickelheim

Mein 1. Sonntagsspaziergang führt mich in ein kleines Städtchen irgendwo im Nirgendwo von Rheinhessen. Der Ort ist weder berühmt, noch hat er jemals in der Geschichte eine wirklich herausragende Rolle gespielt, es ist nur einfach ein schöner kleiner Ort mit dem ich persönlich etwas verbinde, denn hier gibt es vor allem zwei sehr liebe Menschen, die mir persönlich sehr wichtig sind und so wird denn auch der Ort in dem sie wohnen zu einem besonderen Ort.
Die Rede ist von Gau-Bickelheim, malerisch am Fuße des Wißbergs gelegen im Landkreis Alzey-Worms, ziemlich mittig zwischen Bingen, Ingelheim, Bad Kreuznach und Alzey. Allesamt Orte, die wohl deutlich bekannter und berühmter sind.

Gau-Bickelheim – ein lange Geschichte

Etwa 2.000 Einwohner hat die Gemeinde und Weinbau wird hier Großgeschrieben. Das ist natürlich für mich sowieso schon ein Grund mich hier wohlzufühlen, denn wer mich kennt weiß, dass Wein eine meiner großen Leidenschaften ist. Und guten Wein gibt es hier wirklich zur Genüge. (So habe ich übrigens auch die beiden Menschen kennengelernt, die ich schon angesprochen habe.)
Ja, und wenn man sich dann mal auf diesen Ort einlässt, dann stellt man fest, dass es hier durchaus Sehenswertes gibt und ein Besuch in Gau-Bickelheim tatsächlich lohnt und das nicht nur des Weines wegen …

Bereits vor über 4000 Jahren siedelten Menschen am Fuße des Wißbergs. Natürlich muss das mal rein gar nichts heißen, aber es zeigt doch, dass dieser Ort wohl etwas Besonderes an sich haben muss und das war dann auch den Römern bald klar, die sich ja bekanntlich immer die schönsten Fleckchen ausgesucht haben, um dort ansässig zu werden.

Schon von Weitem sichtbar ist der „Weiße Berg“ – der „Wißberg“: Ein Kalksteinhügel mit 271 Metern Höhe, der, wie unschwer zu vermuten, natürlich schon seit Menschengedenken zum Anbau von Wein genutzt wird.

Die erste urkundliche Erwähnung Gau-Bickelheims datiert aus der Zeit um 770: Becchilo, ein fränkischer Adliger, ließ sich hier nieder und es entstand eine kleine Siedlung am Fuße des „Weißen Berges“. Bald wurde die Siedlung durch einen königlichen Wirtschaftshof erweitert. Die Dimensionen dieses mittelalterlichen Hofes stimmen ziemlich exakt mit denen der heutigen Winzergenossenschaft in Gau-Bickelheim und den umliegenden Häusern überein und dort, wo heute die Käfergasse ist wurden Wehrbauern angesiedelt.
Zwischen dem Jahr 983 und dem Ende des 18. Jahrhunderts gehörte Gau-Bickelheim dann übrigens dem Mainzer Erzstuhl. Die mittelalterliche Siedlung, die damals entstand, ist noch heute gut sichtbar und eigentlich hat sich über all die Jahrhunderte gar nicht so sehr viel verändert, sogar die ehemalige Befestigung des Dorfes ist noch erkennbar.


Ein Spaziergang durch Gau-Bickelheim

Besonders auffallend ist der Dorfplatz, das Zentrum Gau-Bickelheims im Mittelalter und auch noch heute. Es ist ein Platz, der zumindest auf mich eine magische Wirkung hat – er beruhigt, man kann die Seele baumeln lassen, sich in frühere Jahrhunderte versetzen und dennoch ist er auf eine besondere Art voller Leben. Offensichtlich bin ich nicht die einzige, die dem Charme dieses Dorfplatzes erlegen ist, denn er wurde in das „internationale Register für Kulturgut unter Sonderschutz“ der Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten eingetragen.

Gau-Bickelheim
Gau-Bickelheim
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

In der Mitte dieses Dorfplatzes findet man ein Barockkreuz aus dem Jahr 1794. Das eigentliche Zentrum aber bilden das Bürgerhaus und der Römerkeller. Die ältesten Teile dieser Gebäude stammen aus dem 16. Jahrhundert. Besonders imposant sind die Kreuzgewölbe, die heute für Feierlichkeiten genutzt werden können. 1749 wurde das Rathaus erbaut. Ein prächtiger Barockbau mit Mansardendach, dessen Giebelwand von einer Sonnenuhr geziert wird. Die dreischiffige Halle des Rathauses stammt noch aus dem 16. Jahrhundert.

Dorfplatz
Dorfplatz Gau-Bickelheim
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Begibt man sich ein wenig aus dem Ort heraus und läuft in Richtung auf den Wißberg, dann findet man eine Besonderheit, die es so wohl wirklich nur in einer weinverrückten Gegend geben kann und die zeigt, dass Wein ein Teil des Lebens und ein Kulturgut ist, denn es gibt einen schlichtweg einzigartigen Kreuzweg, der vom Dorf bis hinauf auf den Wißberg und zur Kreuzkapelle führt. Entlang dieses Kreuzweges bewegt sich auch ein Weinlehrpfad: eine einzigartige Kombination und eine schon fast skurrile Kombination von Geistlichem und Geistigem.

Am Ende des Kreuzwegs wartet, fast ganz oben auf dem „Weißen Berg“ die Kreuzkapelle auf den Spaziergänger. Von hier aus hat man einen wundervollen Blick über das Rheinhessische Hügelland, das auch gerne mal mit der Toskana verglichen wird.

Kreuzkapelle
Kreuzkapelle Wißberg, Gau-Bickelheim –
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Zurück in Gau-Bickelheim gibt es dann an quasi jeder Ecke die Gelegenheit einen guten Wein zu trinken und mal so richtig auszuspannen. Und wenn ich dann wieder so richtig erholt bin, überlege ich mir wo ich in der nächsten Woche und am nächsten Sonntag spazieren gehe …

Rebzeile
Rebzeile – Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Beitragsbild:
Blick vom Wißberg
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

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