Sonntagsspaziergang – Serie

Ich hatte ja von vornherein geschrieben, dass sich dieses Blog mit nahezu allen Facetten von Kultur beschäftigen wird und sicherlich ist eine besonders „deutsche“ Facette das „Spazierengehen“. Erstaunlicherweise oder vielleicht auch nicht hat es das „Spazierengehen“ sogar schon zu einem Wikipedia-Eintrag gebracht. Wie man dort erfährt kommt das Wort gar nicht aus dem Deutschen, sondern aus dem Italienischen! Hier bedeutet das Wort spaziare so viel wie „sich räumlich ausbreiten“.

Weiter ist bei Wikipedia zu lesen, dass der Ursprung unseres heute so gerne gepflegten „Spaziergangs“ das aristokratische „Lustwandeln“ sei. Das will dann wohl heißen, dass wir alle uns natürlich immer gerne nach oben in Richtung der oberen Zehntausend orientieren. Deshalb also fingen wohl unsere Altvorderen an das Lustwandeln durch Parks und Gärten, das sie beim Adel sahen, zu imitieren.


Caspar David Friedrich
Caspar David Friedrich [Public domain], via Wikimedia Commons

Vom Lustwandeln zum Spazierengehen

Ursprünglich war das „Lustwandeln“ nur dem (hohen) Adel vorbehalten. Dafür gab es zwei schlichte Gründe: erstens verfügte nur der gehobene Adel über derartige Grünflächen. Zweitens hatte nur der Adel genügend Zeit sich einem solchen Vergnügen hinzugeben. Eigentlich kann man sogar noch einen dritten Grund angeben: Laufen war für den normalen Menschen eine schlichte Notwendigkeit, für den Adel indes Vergnügen.

Indem also zunächst das Bürgertum das „Lustwandeln“ entdeckte imitierte es den Adel und konnte sich ein wenig fühlen wie Louis XIV.
Wahrscheinlich ist gerade an letzterem Vergleich sogar etwas dran, denn vielfach gewinnt man den Eindruck, dass es beim Spaziergang und vor allem beim Sonntagsspaziergang mehr um das „Sehen und Gesehen werden“ geht denn um die körperliche Ertüchtigung, die ja letztlich (wohl anscheinend eher unfreiwillig) auch damit verbunden ist.

Es wundert also nicht, dass der Spaziergang im 18. Jahrhundert zunächst in der Schicht der Bürgerlichen Mode wurde. Das Bürgertum hatte ja immerhin das Geld für Kutschen und dementsprechend war es dann natürlich auch wieder chic wieder einmal zu Fuß zu gehen. Der „gemeine Mensch“ dahingegen war eh immer noch zu Fuß unterwegs. Da bedurfte es wohl weniger eines gepflegten Spaziergang zur körperlichen Bewegung. Zum Zwecke des sozialen Austauschs brauchte die Unterschicht das Flanieren wohl auch nicht. Laufen, per pedes unterwegs sein, das war für die unteren Schichten eine Notwendigkeit und oft wohl auch einfach eine nervige Fortbewegungsmethode.


Goethe und sein Faust kindgerecht als Playmobilfigur im Düsseldorfer Goethe-Museum
Goethes Faust kindgerecht im Goethe-Museum Düsseldorf
Foto: ©Goethe-Museum Düsseldorf

Wenn Goethe den Herrn Faust auf einen Spaziergang schickt

Einer der berühmtesten Spaziergänge, der auch aus jener Zeit des aufstrebenden Bürgertums des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts stammt, ist der Osterspaziergang in Goethes Faust.
Bitte nicht verwechseln mit dem hinreißenden Film „Osterspaziergang“ mit Fred Astaire und Judy Garland aus dem Jahr 1948. Der Originaltitel des Films ist übrigens „Easter Parade“ und es geht um die durchaus schwierige Beziehung des Tänzers Don Hewes mit seiner Partnerin Nadine Hale zwischen Ostern 1912 und Ostern 1913.

Aber, ich bin abgeschweift, kommen wir zurück zum Herrn Goethe und seinem Faust. Offenbar dienten Spaziergänge auch schon damals für Johann Wolfgang Goethe vor allem der Kommunikation. Während eben jenes berühmten Spaziergangs im „Faust“ findet ein tiefschürfendes Gespräch zwischen Faust und Wagner statt. In diesem Gespräch berichtet Faust dem Herrn Wagner von seinen inneren Nöte und seiner Zerrissenheit. Während er dies schildert fällt der berühmte Satz:

Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust, die eine will sich von der andern trennen: die eine hält in derber Liebeslust sich an die Welt mit klammernden Organen; die andre hebt gewaltsam sich vom Dust zu den Gefilden hoher Ahnen.“


Sonntagsspaziergänge auf „Kultur – Geschichte(n) – Digital“

Keine Sorge, bei meinen Sonntagsspaziergängen soll es weniger um solch tiefschürfende Probleme gehen. Ich gehe einfach spazieren und schaue mir Orte an. Es geht nur um das „Sehen“ nicht um das „Gesehen werden“. Ich möchte Ihnen in dieser Reihe der „Sonntagsspaziergänge“ Orte zeigen und vorstellen, die ich bereits gesehen habe, die mich begeistert haben oder auch entsetzt, die mir in Erinnerung geblieben sind oder die ich schon fast wieder vergessen hätte, hätte ich sie nicht in irgendeinem Fotoordner auf der Festplatte wiedergefunden. Es werden sicher viele bekannte Orte dabei sein, die nahezu jeder schon einmal gesehen hat, aber es werden sicher auch ganz unbekannte Orte dabei sein, die vielleicht auch nur für mich eine besondere Bedeutung haben.

 

Auf jeden Fall wünsche ich Ihnen viel Spaß auf unseren gemeinsamen Spaziergängen und vielleicht finden Sie ja den ein oder anderen Ort an den ich mich begebe so spannend, dass sie auch einmal (wieder) dorthin spazieren möchten …


In der Reihe „Sonntagsspaziergang“ sind bisher folgende Beiträge erschienen:

Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

4 Kommentare

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert