Geschichte – Definition und Gedanken

Geschichte, ein endloses Thema, ein breites Fach, ein weites Feld, ein stets im Munde geführter Begriff. Doch was ist Geschichtswissenschaft, was Geschichte, was Historie, was Geschichtsschreibung?
„Unter Geschichte versteht man im Allgemeinen diejenigen Aspekte der Vergangenheit, derer Menschen gedenken und die sie deuten, um sich über den Charakter zeitlichen Wandels und dessen Auswirkungen auf die eigene Gegenwart und Zukunft zu orientieren.” So sagt Wikipedia.

Theodor Mommsen
Theodor Mommsen by Louis Jacoby (1828—1918) (Deutsche Fotothek, Nr. df_0078580)
[Public domain], via Wikimedia Commons

Geschichte als Wissenschaft

„Geschichte ist nicht „exakte Wissenschaft“ – sie ist eine humanistische Disziplin. Ihr Hauptgegenstand sind Menschen, und Geschichte ist, wie Thukydides vor langer Zeit sagte, das Studium nicht von Umständen, sondern von Menschen in Umständen. Wer das vergißt, weil er in sein eigenes spezielles Interessengebiet verliebt ist oder fasziniert von den modellbildenden Aktivitäten und Idealtypen der Behaviouristen, kann nur als einfältig bezeichnet werden.“ 1
Zwei Sätze des 2005 verstorbenen Historikers G. A. Craig, die zumindest für mich immer sehr prägend waren. Diese Sätze, beherzigt man sie, bewirken unweigerlich immer eine gewisse Erdung, sie helfen sich nicht in Theoriemodellen zu verstricken und den Blick auf den eigentlichen Ausgangspunkt des Ganzen zu verlieren: Den Menschen!

Geschichte, das ist Menschheitsgeschichte, von Menschen gemacht, von Menschen erforscht und von Menschen aufgeschrieben. Man kann sich zwar um Objektivität bemühen, man muss es sogar tun, aber man wird sie nie erreichen, denn Menschen funktionieren nun einmal nicht nach mathematischen oder naturwissenschaftlichen Regeln, sondern nur nach individuellen Ideen, Vorstellungen und vor allem Emotionen.

Deshalb ist die Geschichtswissenschaft zwar sehr wohl eine Wissenschaft, denn etwa der Umgang mit Quellen, die Methoden ihrer Auswertung sind eine Wissenschaft, funktionieren nach wissenschaftlichen, streng festgelegten Regeln und es bedarf durchaus einiger Jahre des Lernens und Einübens, bis man diese beherrscht, aber Geschichte ist keine exakte Wissenschaft.

Clio Muse Geschichtswissenschaft
Die Muse Clio
Anonymous, French-Italian, 17th century,
The Metropolitan Museum of Art, New York, The Elisha Whittelsey Collection, gemeinfrei 

Geschichtswissenschaft oder Geschichte als Kunst

Vielfach wird die „Geschichte oder Geschichtswissenschaft“ auch als eine Form der Kunst bezeichnet. wohl eben, weil sie keine der exakten Wissenschaften ist und weil sie nicht wirklich ein exaktes Abbild der Vergangenheit liefert, sondern eine Rekonstruktion versucht. Damit hat die Darstellung der mit wissenschaftlichen Methoden erzielten Ergebnisse auch immer ein künstlerisches Element, es ist immer auch eine Narration – eine Erzählung.

Dass diese Einschätzung gar nicht so fehlgeleitet ist, erkennt man nicht zuletzt daran, dass die „Geschichtsschreibung“ neben der Astronomie die einzige Wissenschaft ist, die eine Muse ihr Eigen nennt: „Klio“ ist es, die Rühmende, die Tochter des Zeus und der Mnemosyne, dargestellt mit Papyrusrolle und Griffel. Ein zweiter Hinweis ist die Tatsache, dass der zweite Nobelpreis für Literatur, im Jahr 1902, ausgerechnet an einen Historiker vergeben wurde und das für ein historisches Werk: Es war Theodor Mommsen, der diesen Preis erhielt mit den Worten „dem gegenwärtig größten lebenden Meister der historischen Darstellungskunst, mit besonderer Berücksichtigung seines monumentalen Werkes ‚Römische Geschichte‘“.2

Wir HistorikerInnen sind also auch ErzählerInnen, DarstellungskünstlerInnen, auf wissenschaftlicher Basis.

Darum soll es hier gehen, um erzählte Geschichte (auf wissenschaftlicher Basis, versteht sich), also eine verständliche Geschichtswissenschaft, die Spaß macht und Neugierde weckt.

1. A. Craig: Der Historiker und sein Publikum. Rede am 7. November 1981 im Festsaal des Rathauses zu Münster, hg. vom Presseamt der Stadt Münster, S. 56 f.
2. Zitiert nach Wikipedia: Liste der Nobelpreisträger für Literatur.

Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

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