Haus Cromford – Ratingen

Haus Cromford in Ratingen – Rheinisches Industriemuseum

Haus Cromford in Ratingen – das Museum habe ich nun wieder einmal besucht, denn Sonntage im November sind immer wieder ein willkommener Anlass mal in der Museumslandschaft der näheren und weiteren Umgebung stöbern zu gehen.

Ratingen ist nicht weit und die alte Baumwollspinnerei in Haus Cromford beherbergt heute eines der sechs LVR Industriemuseen. Nicht nur, dass man hier in die Geschichte der Textilindustrie eintauchen kann, es gibt auch immer wieder interessante Ausstellungen. Diese Ausstellungen sind natürlich vielfach textilen Themen und der Mode gewidmet. – Das versteht sich quasi von allein.

Haus Cromford liegt direkt am Bachlauf der Anger und ist umgeben von einem englischen Landschaftsgarten. Es stellt die wohl älteste Textilfabrik bzw. mechanisierte Baumwollspinnerei des europäischen Kontinents dar und ist bis heute nahezu vollständig erhalten. Gegründet wurde das Unternehmen in den Jahren 1783-1784 von Johann Gottfried Brügelmann, einem aus Wuppertal stammenden Kaufmann und Unternehmer.

Das heutige Museum umfasst sowohl die „Hohe Fabrik“, die sich über insgesamt fünf Stockwerke erstreckt, als auch das ehemalige Herrenhaus der Familie Brügelmann. Ebenfalls bis heute erhalten sind die ehemaligen Wohnungen der Arbeiter, das Kontor und das „Radhaus“, welches ursprünglich das Wasserrad beherbergte, das die Maschinen der Textilfabrik antrieb.
Zur Dauerausstellung des Ratinger Industriemuseums gehört zum einen die Fabrik mit ihren Maschinen sowie zahlreichen Informationen rund um die Textilherstellung im 18. und frühen 19. Jahrhundert und zum anderen das Herrenhaus Cromford in dem die Familie Brügelmann mit ihren Bediensteten lebte.


Postkarte Damenmode 1911 - Hosen für Frauen
Damenmode 1911 – Hosen als neuester Schrei – historische Postkarte

Sonderausstellung “Die Macht der Mode”

In den oberen Etagen des ehemaligen Fabrikgebäudes finden regelmäßig Sonderausstellungen statt. Zur Zeit ist die Ausstellung „Die Macht der Mode. Zwischen Kaiserreich, Weltkrieg und Republik“ zu sehen.

Es ist wohl eine der spannendsten Modephasen schlechthin, die sich die Macher der Ausstellung hier ausgesucht haben: Es ist genau die Periode in der das Korsett an den Nagel gehängt wird und die Frauen die Möglichkeit bekommen auch endlich einmal (und das im wahrsten Sinne des Wortes) die Hosen anzuhaben. Es ist auch die Zeit des Jugendstils und der Reformkleider.

Es war die Zeit der Emanzipation, eine Zeit in der sich ein vollkommen neues Frauenbild entwickelte und Frauen begannen gleiche Rechte einzufordern. Das schlug sich auch auf die Mode nieder, die wohl selten so facettenreich war wie in jenen Tagen rund um den Ersten Weltkrieg.

Die Ausstellungsmacher selber schreiben zu dieser unglaublich spannenden Phase der Geschichte und der Mode:

„Die Ausstellung zeigt, wie sich unter dem Einfluss von Mobilität und Beschleunigung, aber auch von neuem Freizeitverhalten die Kleidung über die ersten drei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts veränderte: Frauen legten Korsett und mehrere Lagen Unterröcke ab, die Röcke wurden kürzer, die Stoffe leichter. Reißverschluss und Druckknöpfe ersetzten Haken und Ösen sowie lästige Schnürungen.“


Sicher wollten Männer und Frauen auch weiterhin „gut“ aussehen. Kleidung war Ausdruck von Status und auch von Persönlichkeit. Vielleicht war sie genau in dieser Zeit sogar mehr ein solcher Ausdruck von Persönlichkeit als jemals zuvor. Aber Kleidung wurde nun auch „praktisch“. Man wollte Bewegungsfreiheit haben und Korsetts und lange Kleider waren da nicht mehr en vogue.

Dies alles zeigt die Ausstellung mittels 130 Originalkostümen und Accessoires aus der Zeit des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Hinzu kommen zahlreiche weitere Exponate, die zum Teil den Atem stocken lassen, wie etwa eine Kaufhauswerbung aus der Zeit des Ersten Weltkriegs, der zu entnehmen ist, dass man dort nun eine „Trauerabteilung“ habe. In dieser neuen Abteilung gab es auf Maß gefertigte Trauerkleidung, die schnell und günstig hergestellt werden konnte. Das macht klar wie präsent der Tod in jenen Jahren zwischen 1914 und 1918 war. Er beherrschte das Leben. Eine trübe Stimmung und Niedergeschlagenheit beherrschten das Leben der Menschen während des 1. Weltkriegs. Diese alte Werbung macht das präsenter und bringt das noch viel eher in das Bewusstsein von uns heutigen als es noch so viele Bilder gefallener Soldaten vermögen.

Aber auch die überquellende Freude und der Wille das Leben zu genießen ist den Exponaten anzumerken: vor allem den Charlestonkleidern, dem großen Fächer aus Federn, vielen Schmuckstücken und auch der speziellen Fahrradkleidung. Besonders deutlich wird genau diese Freude, vielleicht die Freude überlebt zu haben, auch in den Stummfilmausschnitten, die Teil der Ausstellung sind.
Mein Fazit zu dieser Ausstellung ist klar: Wohl kaum eine andere Epoche bedeutete einen derartigen Umbruch wie die Zeit rund um den 1. Weltkrieg und in wohl kaum einer anderen Epoche wurde die Mode so stark zum äußeren Zeichen eben dieses Umbruchs.

Es lohnt sich wirklich diese Ausstellung anzuschauen und sich auf diese Zeit einzulassen, die man anhand ihrer Mode wohl auf eine ganz spezielle und auch emotionale Art erleben kann. Ich werde sicher noch einmal dorthin gehen und wahrscheinlich wird mir bei einem zweiten Rundgang noch vieles auffallen, was ich beim ersten Ansehen übersehen habe. Zeit genug bleibt, denn die Ausstellung „Die Macht der Mode“ läuft noch bis zum 30. Oktober 2016. Es gibt im Übrigen auch einen Ausstellungskatalog, der zum Preis von 10 € im Museumsshop erhältlich ist.


Ausstellung „Die Macht der Mode“

LVR-Industriemuseum Textilfabrik Cromford
Cromforder Allee 24
40878 Ratingen

Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

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