Sophie von Hatzfeldt – die „rote Gräfin“
Vor inzwischen 198 Jahren feierte ein 17-jähriges Mädchen, das als eine der skandalösesten Frauen ihrer Epoche in die Geschichte eingehen sollte, nur wenige Kilometer von meinem Zuhause entfernt ihr Hochzeit. Ihr Name: Sophie von Hatzfeldt (1805-1881), geboren als Sophie Josepha Ernestine von Hatzfeldt.
Der Ort ihrer Hochzeitsfeier: Schloss Kalkum, heute im Norden Düsseldorfs gelegen, damals dem Amt Angermund zugehörig.
Falls Sie in der Einleitung darüber gestolpert sein sollten, dass da zweimal der gleiche Nachname steht: das ist durchaus korrekt, denn, wie in jenen Jahren nicht ganz ungewöhnlich, blieb die Hochzeit in der Familie und das aus dynastischen Gründen. Ein Majoratsstreit (also ein Erbstreit) führte dazu, dass die geborene Gräfin von Hatzfeldt-Trachenberg mit dem „sardanapalischen Wüstling“[1] Fürsten Edmund von Hatzfeldt-Wildenburg (1796-1874) vermählt wurde.
Der Fürst liebte sein ausschweifendes Leben und seine Mätressen und das offenbar sogar in der Hochzeitsnacht. Versuchte seine junge Frau Sophie aufzubegehren, dann machte er ihr Szenen, sperrte sie ein oder misshandelte sie sogar.
Der zweite Beitrag zur Blogparade „Frauen und Erinnerungskultur – Blogparade #femaleheritage“ der Münchener Stadtbibliothek.
Der erste Beitrag war Charlotte Sophie von Bentinck gewidmet.
Inhaltsverzeichnis
Traurige Jahre auf Schloss Kalkum
Kein Wunder also, dass Sophie versuchte dieser Ehe zu entfliehen. Doch in den ersten Jahren saß sie zunächst meist einsam und allein auf Schloss Kalkum. Abwechslung und Trost – so ist oft zu lesen – boten ihr nur ihre drei Kinder: Alfred, der 1825 geboren wurde, Melanie, geboren 1828 und der jüngste Spross Paul, geboren 1831.
Erst 1833 gelang Sophie von Hatzfeldt die Flucht aus ihrer Ehe. Schon länger hatte sie wechselnde Liebhaber gehabt, hatte versucht durch Reisen Abstand von ihrem Ehemann zu gewinnen und auch Unterstützung von ihrer Familie zu erhalten. Doch gerade die Familie hatte immer wieder versucht sie in diese Ehe zurückzudrängen. Man argumentierte mit der Moral und wohl auch mit dem Geld.
Noch 13 Jahre allerdings sollte es dauern, bis der Bruch zwischen den Ehepartnern wirklich Konsequenzen haben sollte. In dieser Zeit wurden seitens der Familie immer neue Versuche unternommen Sophie in das gängige Rollenbild hineinzupressen und ihr Aufbegehren zu brechen. Doch die Gräfin blieb bei ihrer Meinung, dass sie „absolut die gleichen Rechte habe wie der Graf“ und dass „was für ihn gilt auch für“ sie gelte.[2]
Sophie von Hatzfeldt und der junge Anwalt Ferdinand Lassalle
Die Wendung im Leben Sophie von Hatzfeldts kam im Jahr 1846. Sie war inzwischen 41 Jahre alt und lernte einen jungen Mann mit revolutionären Ideen kennen, der ihr juristischer Beistand in den nächsten Jahren werden sollte und ihr engster Freund: „Ihr Beistand wird der erst 20 Jahre alte Ferdinand Lassalle, der, frisch von der Uni, bereits den Dichter Heinrich Heine in einem Erbstreit erfolgreich vertreten hat.“[3]
Lassalle (1825-1864) war vom ersten Augenblick an von der Gräfin fasziniert und er witterte auch die Chance, die ihm dieser Scheidungsprozess bot, denn es war nicht nur ein privates Ehedrama, es war letztlich auch die Möglichkeit die alten verknöcherten adligen Strukturen anzuprangern.
„Ich sah vor mir, in der Person eines einzelnen individuellen Lebens, die Verkörperung aller empörenden Ungerechtigkeiten der veralteten Welt, die Verkörperung aller Missbräuche der Macht, der Gewalt und des Reichtums, allen Druck unserer sozialen Ordnung.“[4] sollte Lassalle später über die Motivation sagen, die ihn bewog sich beinahe 20 Jahre lang für die Gräfin einzusetzen.
„Hatzfeldt gegen Hatzfeldt“ – der Scheidungskrieg
Fünf Jahre zog sich der Scheidungskrieg zwischen Sophie und Edmund rund um das „Revolutionsjahr“ 1848 hin. Die Entscheidungen der insgesamt 36 angerufenen rheinischen Gerichte variierten dabei jeweils nach Lage der Dinge, ob die Stimmung eher revolutionär oder aber eher konservativ war.
Der Prozess dauerte vor allem deswegen so lange, weil es Sophie nicht nur daran gelegen war von ihrem gewalttätigen Ehemann geschieden zu werden, sondern auch finanziell abgesichert zu sein und weiterhin ein standesgemäßes Leben führen zu können.
Mit Inkrafttreten der Scheidung im Juli 1851 verlor Sophie von Hatzfeldt zunächst alle Alimentationen durch ihren Exehemann. Es dauerte noch drei weitere Jahre bis es Lassalle gelang auch einen dauerhaften Unterhalt für Sophie zu erstreiten.
Mit den Geldmitteln, die ihr nun zur Verfügung standen konnte sie nicht nur ein recht standesgemäßes Leben führen, sondern auch die Honorare für ihren Freund und Anwalt Ferdinand Lassalle bezahlen.
Die gefeierte und schöne Gräfin wird zur „roten Gräfin“
Hier, in der Region um Düsseldorf, ist Sophie von Hatzfeldt noch immer vielen ein Begriff und den meisten gilt sie als die „rote Gräfin“. Diesen durchaus liebevoll und bewundernd gemeinten Beinamen begann sie sich in der Zeit der 1848er Revolution zu erarbeiten in der sie im Raum Düsseldorf „eine zentrale Rolle“ spielte, so dass der Polizeipräsident über sie sagte: „Bekanntlich gehören die Gräfin von Hatzfeldt und der berüchtigte Literat Lassalle zu den tätigsten und gefährlichsten Leitern der Umsturzpartei in der Rheinprovinz.“[5] Unterstützt wurden Sophie und Lassalle dabei auch von Sophies jüngstem Sohn Paul, der sich schon früh für die politischen Ideale seiner Mutter und ihres Lebensgefährten begeisterte.
Das Düsseldorfer Haus der beiden wurde schnell zum Zentrum der revolutionären Bestrebungen, diente den von der Obrigkeit Verfolgten Unterschlupf und wurde Treffpunkt für die Anhänger der sozialistischen Ideen. So gingen etwa Ferdinand Freiligrath und auch Karl Marx hier ein und aus.
Dass es Sophie und Ferdinand durchaus daran gelegen war Aufmerksamkeit zu erzeugen und ggf. auch einen Skandal zu verursachen zeigt folgende kleine Geschichte: „Von der Versammlung am 8.10. 1848 in Gerresheim (heute Stadt Düsseldorf) kehrten sie demonstrativ in einem Wagen, der vorne mit einer roten Fahne und an den Seiten schwarz-rot-gold geschmückt war, nach Düsseldorf zurück.“[6] Ein Statement, das wohl kaum zu übersehen war.
Liebesbeziehung oder Freundschaft – Sophie von Hatzfeldt und Ferdinand Lassalle
Viele haben sich das Maul zerrissen über Ferdinand und Sophie – sie eine Geschiedene in den Vierzigern, adelig und Mutter von drei Kindern – er ein Jude in den Zwanzigern mit revolutionären Ideen. Ein größerer Gegensatz war für die damalige Welt wohl kaum vorstellbar. Und die beiden sorgten durchaus für das Sahnehäubchen auf allen Geschichten, als sie zusammenzogen – öffentlich, für alle Augen sichtbar, in ein Haus in Düsseldorf.
Ob sie wirklich ein Liebespaar waren oder einfach nur Freunde, die einander brauchten, schätzten und mochten, darüber ist seit 170 Jahren viel spekuliert worden. Klarheit wird es wohl nicht mehr geben, aber letztlich ist es auch egal. Bekannt ist jedenfalls auch, dass beide zwischenzeitlich immer auch Affären hatten.
Die beiden aber waren zusammen und sie blieben es, auch als Lassalle beschloss nach Berlin zu gehen. 1859 folgte ihm die „rote Gräfin“ dorthin und unterstützte auch dort seine politischen Aktivitäten. Besonders wichtig war Sophie für Lassalle, als der im Jahr 1863 begann durch Deutschland zu reisen und politische Reden vor Arbeiterversammlungen zu halten.
In diesem Jahr initiierte Lassalle auch die Gründung des „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins.“ in den Sophie als Frau, laut preußischem Vereinsgesetzt, nicht eintreten durfte. Allerdings versuchte sie aus dem Hintergrund Einfluss auszuüben.
Eine Frau geht in die Politik
Als Ferdinand Lassalle am 31. August des Jahres 1864 in Genf an den Folgen eines Duells starb, da schwor Sophie von Hatzfeldt sein Lebenswerk weiterzuführen. In einem Triumphzug wollte sie seinen Leichnam von Genf aus durch alle Städte führen, in denen es einen Deutschen Arbeiterverein gab. Sie reiste mit dem Leichnam nach Frankfurt am Main, nach Mainz und auch nach Düsseldorf – in die alte Heimat.
Die Mutter Lassalles war es, die mit Hilfe der Polizei dem Treiben ein Ende machte und die Leiche des Sohnes nach Breslau bringen ließ, wo er bestattet wurde.
Das Ziel aber, das Sophie von Hatzfeldt verfolgt hatte, hatte sie erreicht: es hatte sich ein regelrechter Kult um den toten Arbeiterführer entwickelt und nun wollte sie in die Fußstapfen des toten Freundes treten, was ihr allerdings nicht wirklich gelang. Der von ihr aufgestellte Kandidat scheiterte bei der Wahl, andere fanden sich nicht, da sie nicht unter der Ägide einer Frau stehen wollten.
So gründete Sophie von Hatzfeldt den „Lassalleschen Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein“ mit dem sie aber nur in Teilen Deutschlands Erfolge verbuchen konnte.
Auch in die Reichspolitik mischte sich Sophie von Hatzfeldt aktiv ein und beteiligte sich beispielsweise am Wahlkampf für den Norddeutschen Reichstag.
1869 jedoch musste sie einsehen, dass sie politisch keine Erfolge verzeichnen konnte und zog sich aus der aktiven politischen Arbeit zurück.
Sophie von Hatzfeldt – Charakterbild einer revolutionären Frau
Sophie von Hatzfeldt scherte sich nicht um die Konventionen ihrer Zeit, das enge moralische Korsett, dass die adelige Gesellschaft in der Mitte des 19. Jahrhunderts trug und das im Grunde nur Männern Schlupflöcher erlaubte. Sie zog es aus und versuchte ein auch politisch aktives und selbstbestimmtes Leben zu führen, was ihr in weiten Teilen auch gelang.
In ihren Berliner Jahren führte sie einen Salon in dem viele bekannte und berühmte Persönlichkeiten ein und ausgingen, vor allem jene, die den revolutionären Kreisen zuzuordnen waren. Und auch in ihrem Salon sorgte sie oft und gerne für größere und kleinere Skandale, wenn sie etwa tief dekolletiert und Zigarre rauchend in ihrem Sessel saß, ihre revolutionären Ideen vertrat und Sätze sagte wie „Warum? Weil ich eine Frau bin? Diesen Grund erkenne ich sogar im Allgemeinen nicht an, im Speziellen für mich gar nicht. […] Sie scheinen mir einen großen Vorwurf daraus zu machen, dass ich es wage, in diesen Angelegenheiten eine eigene Meinung zu haben und dieselbe zu äußern. Ich finde, dass ich ein ebenso großes Recht dazu habe als irgend jemand.“[7]
Dieses Recht übte sie ihr Leben lang aus und noch ein letztes Mal im Jahr 1878, als sie August Bebel half gegen die Bismarckschen Sozialistengesetze vorzugehen. In ihrer Ablehnung gegenüber Bismarck konnte sie sich außerdem familiärer Unterstützung sicher sein, denn auch ihre Stiefnichte Marie von Schleinitz stand ihr da in nichts nach.
Darin glich sie auch einer ihrer Freundinnen sehr: Mathilde Franziska Anneke, die später eine der führenden Persönlichkeiten in der US-amerikanischen Frauenbewegung werden sollte, in ihrer deutschen Zeit aber auch gerne mit Sophie auf Bäderreise ging.
Sophie von Hatzfeldt starb am 25. Januar 1881 in Wiesbaden. Heute erinnert an Schloss Kalkum, dem Ort an dem sie ihre traurigsten Jahre verbrachte, ein Gedenkstein und eine Büste an ihren geliebten Freund Ferdinand Lassalle.
[1] Zitat Franz Mehring, zitiert nach: Hans Wolfram von Hentig: Art. Hatzfeldt, Sophie Josepha Ernestine Gräfin von, in: NDB 8 (1969) S. 67f.
[2] Zitiert nach Ulrike Rückert: Die erste „rote Gräfin“, Deutschlandfunk Kultur – Kalenderblatt 10.08.2005.
[3] „Die Gelüste des Unterrocks“. Cora Stephan über die Biographie der Gräfin Hatzfeldt von Christiane Kling-Mathey, in: Der Spiegel 31.07.1989.
[4] Zitiert nach Ulrike Rückert: Die erste „rote Gräfin“, Deutschlandfunk Kultur – Kalenderblatt 10.08.2005.
[5] ebd.
[6] Küntzel, Astrid: Sophie von Hatzfeldt, in: Internetportal Rheinische Geschichte (aktuell nicht abrufbar!)
[7] Zitiert nach Ulrike Rückert: Die erste „rote Gräfin“, Deutschlandfunk Kultur – Kalenderblatt 10.08.2005.
Beitragsbild:
Sophie von Hatzfeldt, retuschierte Porträtfotografie, um 1860/61
gemeinfrei
Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen
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