Lieblingsbücher, Teil 1
Das erste Buch in meiner Kategorie Lieblingsbücher ist schon lange nur noch antiquarisch zu bekommen. Geschrieben wurde es von einem Mann, der mich zu Beginn meines Studiums und meiner Arbeit an Museen (also vor gefühlten 100 Jahren) stark beeinflusst hat.
Er gehört zu dieser „alten Garde“ der Geisteswissenschaftler, die leider vom Aussterben bedroht ist. Jene Garde für die Geschichte weniger Theorie war als mehr ganz praktisches Leben, die mir beigebracht hat, wie wichtig es ist die Quellen genau zu lesen und dabei doch nie den Blick für die Menschen hinter diesen Quellen zu verlieren. Jene Garde à la Dietmar Kienast etwa, die mir beigebracht haben, dass bei allem notwenigen Handwerkszeug, das ein Historiker braucht, ich doch nie meinen Bauch vergessen darf und nie die Emotionen und Charakterzüge vergessen darf, die jeden Menschen, auch schon vor 2.000 Jahren bewegt und beeinflusst haben. Jene Garde also für die eine Diskussion über „Historische Hilfswissenschaften“ gar nicht nötig war, weil sie deren Kenntnis und Beherrschung eh vorausgesetzt hat.
Der Mann über den ich spreche ist Tilmann Bechert: geboren 1939 in Berlin und seines Zeichens provinzialrömischer Archäologe und Historiker. Er studierte in Heidelberg und wurde 1968 in Frankfurt am Main promoviert. Einen Namen gemacht hat er sich als Leiter der Ausgrabungen in Asciburgium, einem römischen Militärlager im heutigen Moerser Stadtteil Asberg im Kreis Wesel. Heute ist Asciburgium eines der am besten erforschten Auxiliarlager der ehemaligen römischen Provinz Germania inferior.
Leben in der Römischen Provinz
Diese Ausgrabungen in Asciburgium, die Tilman Bechert vom Ende der 1960er Jahre bis in die frühen 1980er Jahre hinweg betrieb, brachten ihn auf den Gedanken einmal ein anderes Buch über die Geschichte des römischen Niederrheins zu schreiben, ein Buch, das im ersten Moment wahrscheinlich für viel anmutet wie ein Kinderbuch und das doch so viel mehr ist, denn „Geschichte berichtet von dem, was geschehen ist, was Menschen in früheren Zeiten getan haben, wie sie lebten und wie sie gedacht haben.“ Und eben dies tut Tilmann Bechert in seinem Buch „Marcus, der Römer“ und weil Asciburgiium so unbekannt ist und auch nicht so groß war, hat er Marcus kurzerhand in eine etwas bekanntere römische Ansiedlung in der Nähe ziehen lassen, nämlich nach Xanten.
In diesem „historischen Lebensbild“ berichtet Tilmann Bechert uns vom Leben in dieser römischen Provinzstadt, er berichtet von den Germanen, die hier lebten, ebenso wie von den Römern und lässt dabei die Geschichte Xantens auferstehen. Die Hauptfigur ist Marcus, ein Junge, der in Xanten, also genauer gesprochen in der Colobie Ulpia Traiana, geboren wird und hier in dieser neuen Stadt aufwächst. Wie fast zu erwarten wird Marcus Soldat und zieht mit dem römischen Heer durch die Welt. Schließlich aber kehrt er zurück nach Xanten und gründet hier eine Familie.
Diese fiktive Figur des Marcus macht es Tilmann Bechert möglich die Menschen jener Zeit zum Sprechen zu bringen, denn wie er schreibt ist „es nur der äußere Rahmen, der sich wiederherstellen läßt [durch Ausgrabungen und Forschungen] – und die Menschen bleiben merkwürdig stumm. Um sie zum Sprechen zu bringen, benötigt man Kenntnisse und Phantasie. Beides zusammen macht die Menschen nicht wieder lebendig, aber es hilft uns, sie und ihre Welt besser zu verstehen und uns in sie hineinzufühlen.“
Mit dem Buch „Marcus, der Römer“ ist Tilmann Bechert dies auf jeden Fall gelungen und ich lese es immer wieder gerne.
Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen
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