Von Brotessern und Bohnen aus Lotus – Zu Tisch im Alten Ägypten
Wie sah es aus, das Essen im Alten Ägypten?
Ägypten – da hat jeder sofort Bilder im Kopf, es sind die Bilder von Pharaonen und von Pyramiden, von Gold und von Steinen, aber eigentlich waren es weder Gold noch Steine, die die altägyptische Kultur möglich machten, es war etwas ganz anderes, es war ein Lebensmittel, um genau zu sein war es Brot!
Brot ernährte die Tausenden von Arbeiter, die die Pyramiden bauten und ohne die sie nie möglich geworden wären und Brot ernährte auch alle anderen Ägypter, was sie dann irgendwie beinahe zu den Vorfahren der Deutschen macht, denen man ja heute nachsagt, dass sie das Volk des Brotes seien.
Aber lassen Sie uns einmal nachschauen wie wichtig das Brot im alten Ägypten tatsächlich war und wie das Essen im Alten Ägypten aussah:
Stellen Sie sich einfach einmal den Bau einer großen Pyramide vor oder den eines Tempels, wie etwa in Luxor oder Karnak. Das sind riesige Gebäude und Maschinen, LKW und ähnliche Gerätschaften standen den Ägyptern nicht zur Verfügung, also musste schlichtweg alles von Menschen und mit der Kraft von Menschen gemacht und gebaut werden. Ja, das waren viele Menschen, die man brauchte, so etwa 10.000 wahrscheinlich, die bei solchen Großbauprojekten beschäftigt waren und das zum Teil über Jahrzehnte! Eine ganz schön reife logistische Leistung, die man da vollbringen musste, denn irgendwie mussten ja all diese Menschen ernährt werden, sie alle brauchten ein Dach über dem Kopf und Kleidung und Abfälle produzierten sie auch, die irgendwie beseitigt werden wollten, wollte man keine Seuchen riskieren.
Wenn man sich dieses Bild der wimmelnden Menschenmasse vor Augen führt, dann versteht man, warum das Brot so wichtig war und warum so mancher schon gesagt hat, dass die Pyramiden eigentlich aus Brot gebaut wurden. Thomas Wieke etwa schrieb zu Recht: „Das Weltwunder der Pyramiden besteht nicht nur darin, dass die Ägypter einige Millionen Tonnen Steine verbauten, sondern dass sie die Menschenmassen, welche die Steine schleppten, bearbeiteten und auftürmten, überhaupt ernähren konnten.“ [1]
Inhaltsverzeichnis
Vom Brot zur Pyramide
Stellt man sich all das vor, dann wundert es nicht, dass es bereits damals „Großbäckereien“ gab. Bäckereien mit fünf oder sechs Öfen, wie anders hätten die für die Arbeiter nötigen Mengen an Brot auch erzeugt werden sollen.
In Ägypten kannte man gesäuerte Brote und auch Backhefen waren schon bekannt. Gebacken wurde in Öfen, die eine hohe Hitze entwickelten, so entstanden Brote, die wir auch heute noch sicher gerne essen würden.
Diese logistische Leistung ist um so beeindruckender, wenn man sich überlegt, dass es in Ägypten nicht so sehr viel fruchtbares Land gab. Einzig rechts und links des Nils war Landwirtschaft möglich und die war dann auch noch von den wechselhaften Überschwemmungen und dem vom Nil angeschwemmten fruchtbaren Schlamm abhängig. Es galt also eine ganze Menge möglicher Probleme zu bedenken und ggf. aus dem Weg zu räumen.
Das Brot der Ägypter wurde aus Emmer gemacht oder aus Einkorn. Beide sind die wohl ältesten kultivierten Getreidearten, die es gibt. Heute gibt es sie kaum mehr, obwohl sie recht widerstandsfähig sind und man ihnen nachsagt auch deutlich gesünder zu sein als unser heutiger Weizen.
Essen im Alten Ägypten war also zumindest mal in der Hinsicht gesünder.
Vom Getreide zum Brot
Mühlen, in denen Korn gemahlen werden konnte, kannten die Ägypter nicht, daher zerkleinerten sie das Getreide mit anderen Mitteln, wie etwa Mörsern und legten es dann zum feinen mahlen zwischen zwei Steine. Dann wurde das Mehl gesiebt. Problem war nur, das ging lange nicht so fein wie heute und so knirschte es wohl hier und da einmal zwischen den Zähnen („Dreck schürt de Mage“ würde der Rheinländer wohl sagen). Nach dem Mahlen wurde das Ganze mit ein wenig Salz und Wasser vermengt, der Teig geformt und dann entweder im Ofen oder direkt in der Asche eines Feuers gebacken. Heraus kam zumeist eine Art Fladenbrot, manchmal aber auch halbrunde Brote (die kennen wir aus dem Grab Tutanchamuns).
Ja und verfeinern ließe sich dieses Rezept natürlich auch, denn es gab ja natürliche Hefen, die machten den Teig etwas luftiger. Auch Fett konnte man hinzufügen oder Milch, Eier, Gewürze, Honig oder Datteln und Feigen. Da kamen also durchaus eine Menge Spielarten heraus. Bekannt sind etwa 30 verschiedene Bezeichnungen, wobei allerdings nicht ganz klar ist was genau sich hinter ihnen verbirgt.
Wer isst muss auch trinken – ägyptisches Bier und mehr
Aber der Mensch lebt ja bekanntlich nicht vom Brot allein und so war es auch in Ägypten und wo es Getreide (insbesondere Gerste) gibt, da gibt es auch Bier (meistens zumindest) und das war auch schon im alten Ägypten so. Und wenn man sich die Hieroglyphen anschaut, dann waren die Ägypter in Sachen Bier offenbar genauso einfallsreich wie auf allen anderen Gebieten. Laut Rainer Hannig gab es Hieroglyphen für vorzügliches Bier, dickflüssiges Bier, Abführbier, Extra-Opferbier, Traumvergesserbier, Omabier und noch viele weitere Biersorten.[2]
Selbst Kinder tranken offenbar schon Bier und es galt als das beliebteste Erfrischungsgetränk. Heutige Ernährungswissenschaftler und Suchtexperten stehen jetzt wahrscheinlich kurz vor einem Nervenzusammenbruch und raten dringend von der Nachahmung ab. Ich übrigens auch und nicht nur weil ich Bier nicht mag. Für alle Antialkoholiker gab es Milch und Wasser.
Für besondere Anlässe gab es Wein. Die Ägypter bauten bereits selber Wein an und zwar in der Region des Nildeltas, wie wir durch Herodot wissen.[3] Allerdings dürften hier keine großen Mengen an Wein entstanden sein, so dass die Ägypter durchaus auch Wein aus der Levanteregion importierten. Mehr zum Weinbau in Ägypten und in der Frühzeit finden Sie auf Weingeschichte(n).
Ägyptischer Speisezettel
Brot und Bier haben wir nun. Okay, davon kann man sich schon ernähren, aber schauen wir, was das Essen im Alten Ägypten noch so zu bieten hatte:
Neben dem Brot und dem Bier war es Getreidebrei, der als ein Hauptnahrungsmittel genutzt wurde.
Auf Dauer wäre das allein aber wohl doch sehr einseitig und langweilig gewesen. Schwer vorstellbar bei einem Völkchen, das ansonsten so innovativ und kreativ war. Und so ist es auch. Den Speiseplan der Ägypter ergänzten vor allem verschiedene Obst und Gemüsesorten. Vor allem Zwiebeln liebten die Pyramidenbauer. Gurken wurden auf Bildern oft dargestellt. Hülsenfrüchte wie Erbsen, Bohnen und Linsen ergänzten das Speisenangebot.
Der stets sehr informierte Herodot (dem man allerdings auch nicht immer alles glauben sollte) berichtet uns außerdem, dass die Ägypter gerne gekochte Papyrusstängel und Lotusblumen aßen. „Ägyptische Bohne“ nannten die Griechen übrigens die Fruchtkörper des Lotus.
Angebaut wurden die meisten dieser Lebensmittel in den zu den Häusern gehörenden Gärten, also ganz so wie dies auch bei uns noch bis vor wenigen Jahrzehnten üblich war.
Wer jetzt den Eindruck gewonnen hat die Ägypter seien Vegetarier gewesen, dem sei versichert: das waren sie nicht. Sie aßen durchaus Fleisch und zwar im Grunde jedwedes, dass ihnen vor die „Flinte“ kam (die sie natürlich noch nicht hatten). Vor allem beliebt war Geflügel. Wachteln, Tauben, Gänse und Enten wurden gerne verspeist; Hühner gab es noch nicht.
Wer Wild bevorzugte, der durfte sich an Antilopenfleisch gütlich tun. Und wer es etwas gezähmter bevorzugte, für den wurden Ziegen, Schweine und Rinder gezüchtet, die dann verzehrt wurden. Das Fleisch wurde wahlweise geschmort, gebraten oder gekocht.
Nicht vergessen darf man natürlich den Fisch! Wo Nil und Küste nicht weit waren, da stand er häufig auf der Speisekarte, egal ob frisch, gepökelt oder getrocknet.
Und weil all diese Speisen ja ohne Gewürze irgendwie dann doch auf Dauer langweilig werden, taten sich die Ägypter auch nach diesen um und entdeckten Salz, wohl sogar schon Pfeffer, schwarzer und weißer Kümmel, Sesam und Koriander, aber auch Bockshornklee, Wacholderbeeren, Dill, Thymian und Senf, außerdem noch Zimt, Fenchel, Majoran, Petersilie, Minze und Thymian. So lässt sich durchaus eine reiche Auswahl an Gerichten zaubern und auch ein heutiger Gourmet hätte keinen Grund ein miesepetriges Gesicht zu ziehen.
Auch Süßmäuler gab es damals schon. Sie durften sich mit Datteln, Feigen, Trauben, Melonen, Äpfeln, Granatäpfeln und Nüssen vergnügen und außerdem gab es Honig. Kein Wunder also, dass Karies – zumindest bei den reichen Ägyptern – schon vor ein paar tausend Jahren ein echtes Problem war.
Ach ja, und wo gegessen wird, da haben die Menschen auch schon ganz früh Regeln fürs Essen erdacht – #Tischzuchten eben. Ja, die gab es auch schon im Alten Ägypten. Diese hier zum Beispiel:
“Wenn du in Gesellschaft sitzt, dann verabscheue die Speisen, die du magst. Selbstbeherrschung ist ein kleiner Augenblick, Gier ist eine Sünde und man zeigt mit dem Finger darauf!”
Lehre des Kagemni[4]
Essen im Alten Ägypten aus zeitgenössischer Sicht – Diodors Historische Bibliothek
„Das Delta hat eine ähnliche Gestalt wie Sicilien. Von den Seiten beträgt jede 750, und die Grundlinie, die sich an der See hinzieht, 1300 Stadien. Diese Insel ist von vielen Canälen durchschnitten, und enthält die herrlichste Gegend von Aegypten. Denn vom Fluß herangeschwemmt und durchströmt, erzeugt der Boden viele Früchte aller Art, da durch das Austreten des Stromes jedes Jahr neuer Schlamm hergeführt wird, und man das ganze Land leicht bewässern kann vermittelst einer Maschine, welche Archimedes von Syracus erfunden hat, und die man ihrer Gestalt wegen Cochlias [Schnecke] nennt. Weil der Nil so ruhig hinfließt, und weil er viel Erde von mancherlei Art mit scih führt, so bleibt in den Vertiefungen das Wasser stehen, und daraus werden sehr fruchtbare Teiche. Es wachsen darin Wurzeln von verschiedenem Geschmack, und eigenthümliche Arten von Früchten und Kräutern, die für Arme und Kranke sehr dienlich und für ihr Bedürfniß hinreichend sind. Denn sie gewähren nicht nur vielerlei Nahrungsmittel, und Jedem steht es frei, sich so viel davon zu nehmen, als er immer nöthig hat; sondern man kann auch noch manchen andern Gebrauch im täglichen Leben davon machen. Lotos wächst in Menge, woraus man in Aegypten Brod bereitet, welches das natürliche Bedürfniß der Nahrung völlig befriedigen kann. Das Kiborion, welches die Aegyptische Bohne enthält, ist im Ueberfluß vorhanden. Es gibt auch mehrere Gattungen Bäume. Eine darunter, deren Frucht sich durch Süßigkeit auszeichnet, heißt man Persia, weil sie von Persern aus Aethiopien gebracht worden ist, zur Zeit, da Cambyses über diese Länder herrschte. Die Sycaminen haben entweder Maulbeere oder Feigenartige Früchte; da sie das ganze Jahr Frucht tragen, so finden die Armen darin eine Aushülfe, wodurch sie vor Mangel geschützt sind. Die Pflaumenart, die man Myrarien nennt, wird um die Zeit, da der Strom zurücktritt, eingesammelt, und ihrer Süßigkeit wegen zum Nachtische genossen. Aus Gerste bereiten die Aegypter ein Getränk, das dem Wein an Geschmack nicht weit nachsteht; man nennt es Bier. Statt des Brennöhls gießen sie den Saft eines Gewächses, welches Kiki [Wunderbaum] heißt, in die Lampen. Noch manche andere Gewächse, die für die Bedürfnisse des Lebens brauchbar sind, bringt Aegypten in reicher Fülle hervor, und die Beschreibung würde zu weit führen.“[5]
Soweit die Beschreibung Diodors von Sizilien, der sich um das Jahr 60 v. Chr. in Ägypten aufgehalten haben soll.
Man sieht: Die ägyptische Küche war tatsächlich ziemlich vielfältig und bot für jeden Geschmack etwas Passendes. Ich jedenfalls wäre hier gerne mal zum Essen eingeladen worden.
[1] Thomas Wieke, Der Mensch isst nicht gern allein. Eine kleine Kulturgeschichte, Darmstadt 2014, S. 13.
[2] Rainer Hannig: Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch (2800 bis 950 v. Chr.), Mainz 2000.
[3] Herodot: Historien II, 77, 4.
[4] Papyrus Prisse, 13. Dynastie, um 1600 v. Chr.
[5] Diodor, Historische Bibliothek, übersetzt von Julius Friedrich Wurm, Stuttgart 1831, 1. Buch, 34, S. 56ff.
Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen
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