Loïe Fuller – Superstar

Ausstellungstipp: “Loïe Fuller Superstar – Tänzerin aus Licht und Farbe” – Clemens Sels Museum Neuss

Keinem Liebhaber der Kunst und Kultur der Belle Époque sollte der Name Loïe Fuller (1862-1928) ein unbekannter sein oder bleiben.
Dieser schillernden Persönlichkeit des Jugendstils, die die europäische Kunstszene des ausgehenden 19. Jahrhunderts faszinierte und inspirierte und deren Erfindergeist bis heute ein lebhaftes Echo findet, widmet sich das Clemens Sels Museum in Neuss noch bis zum 31. Januar 2022.
Die zahlreichen Exponate veranschaulichen dem Besucher auf Fotos, Plakaten, Lithographien, Zeitungs- und Werbeanzeigen die Person Loïe Fuller selbst und zeigen auf der anderen Seite Kunstwerke, wie beispielsweise Statuetten, die Künstler durch sie inspiriert schufen.
Damals – wie noch heute – gab es Nachahmer, und Nachahmer gab es auch bei Loïe Fuller unzählige. Tänzerinnen versuchten ihre Choreographien zu kopieren, warben auf nahezu identischen Plakaten für ihre eigenen Auftritte. Übertreffen konnten sie sie jedoch nicht.
Bewundernswerterweise war sie mit einem ausgeprägten Selbstbewusstsein, Stolz und unternehmerischen Fähigkeiten ausgestattet um dem forsch entgegenzuwirken.
Sie kreierte mit Hilfe von Werbekampagnen, einem ausgetüftelten Vermarktungskonzept und Unternehmergeist sich selbst – als ein quasi It-Girl des Jugendstils. Sie sicherte sich ihre Einzigartigkeit indem sie sich ihre Bühnenkonzepte und technischen Erfindungen diesbezüglich patentieren ließ.
Ihr Name diente als Werbung für Produkte des alltäglichen Lebens, wie beispielsweise Lockenwickler, Hüte, Röcke, Taschentücher und vieles mehr. Sogar der Mundwasserhersteller ODOL bildete sie auf seiner Werbung ab.
Sie wurde also nicht nur Muse und Inspiration vieler namhafter Künstler der Pariser Kunstszene dieser Zeit, sondern zur europaweiten Werbe -und Stil-Ikone der Belle Époque.

Cheret_Folies Bergere_La Loie - Bild © Clemens Sels Museum Neuss
Plakat Cheret “Folies Bergere La Loie” – Bild © Clemens Sels Museum Neuss

Von der Raupe zum Schmetterling – Loïes Karriere in Europa

Als Marie Louise Fuller wurde sie 1862 im amerikanischen Illinois in bürgerlichen Verhältnissen geboren. Eine fundierte Tanzausbildung hat sie nie genossen, sondern trat in jungen Jahren als Sängerin und Schauspielerinnen in Operetten, Farcen und Burlesken auf Tourneen in Amerika auf. Ihr
„Serpentinentanz“ brachte ihr dort jedoch keine bahnbrechenden Erfolge. Auf den Rat eines New Yorker Dirigenten kehrte sie ihrem Heimatkontinent den Rücken, um ihr Glück in Europa zu suchen.
Nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin erhielt sie 1892 im renommierten „Folies Bergère“, einem Pariser Varieté, Kabarett und Tanz-Theater ein Engagement als Tänzerin. Dort gelang der mittlerweile 30-jährigen Loïe der gebührende Erfolg.
Die Einzelkämpferin und Tänzerin avancierte zu einer schillernden Kunstfigur des Fin de Siècle. Ihr zielstrebiger Unternehmergeist gepaart mit ihrem Erfindergeist und ihrem phantasievollen künstlerischen Talent machten sie zu einem Star der Pariser Kunst- und Kulturszene.

Larche_Tischlampe_Tänzerin Loie Fuller ©Clemens Sels Museum Neuss
Francois-Raoul Larche Tischlampe “Tänzerin Loie Fuller” – Bild: ©Clemens Sels Museum Neuss
Statuette Danseuse Agathon Léonard ca. 1901 - Ausstellung Clemens Sels Museum Neuss AKK
Statuette “Danseuse” Agathon Léonard ca. 1901 – Ausstellung Clemens Sels Museum Neuss – Foto: S. Scheer, CC-by SA 4.0

Elektrisierter Jugendstil à la Loïe Fuller

Loïe Fullers Markenzeichen wurde seither ihr Tanzkostüm. Ihr Kleid bestand aus meterlangen Seidenbahnen. Ihre Arme verlängerte sie mit in Stoff gehüllte Bambusstöcke. Durch wellenförmige Körperbewegungen schien der Stoff zu schweben. Ihr verhüllter bewegter Körper schien beim Tanz zu schweben und sich in eine nicht greifbare sphärische Leichtigkeit zu verwandeln. Die fließenden Stoffbahnen wurden zu naturnachahmenden Ornamenten. Jegliche Materialität und Körperlichkeit schienen sich im Nichts aufzulösen.
Ihre einzigartige Tanzchoreographie und ihr Kostüm brauchten jedoch noch etwas mehr, um den gewünschten Effekt zu perfektionieren. Eigens auf ihre Performances zugeschnitten erfand sie ihre eigene Bühnentechnik, die für diese Zeit revolutionär war. Das Stichwort ist Elektrizität. Der Zuschauerraum war stockdunkel. Die Bühne war mit farbigen Lichtprojektionen illuminiert. Als Hilfsmittel bediente Loïe Fuller sich der Camera Obscura. Zusätzlich war die Bühne mit reflektierenden Elementen wie Spiegeln, Glas und sogar dem gefährlichen und krebserregenden Rhodium bestückt.
Farbe, Licht und spiegelnde Reflexionen erzeugten Raumtiefe.
Die Bühne, mit der sie in ihrem Kostüm elfenhaft tanzend förmlich zu verschmelzen schien, wurde zu einem bunt schillernden Raum der Unendlichkeit.
Bewegte Formen, Farben, Licht und Schatten schufen eine unwirklich scheinende atmosphärische Illusion, die den Zuschauer in eine der Realität entrückte Sphäre entführte. Tanzend, farb- und lichtdurchflutet schuf sie beim Publikum Assoziationen von wahrhaftigen Feuerflammen, Schmetterlingsschwärmen oder Blütenmeeren. Naturornamentik wurde zum Leben erweckt.
Da es bereits zahlreiche Nachahmerinnen gab, die Loïe Fullers Tanz und ihr Kostüm kopierten, ließ sie sich ihre Bühnentechnik patentieren.
Mit ihrem eigenen Tanzensemble begeisterte sie bei ihren Auftritten ihr Publikum.

Loïe Fuller Werbeikone - Clemens Sels Museum Neuss
Loïe Fuller Werbeikone – Foto: S. Scheer, CC-by SA 4.0

Loïe Fuller – Muse und Werbeikone

Ihr Freundeskreis und „Fan-Club“ bestand aus der Crème de la Crème des Fin de Siècle.
Zahlreiche berühmte Künstler, Schriftsteller, Designer, Musiker, Film- und Theaterregisseure ließen sich von ihr inspirieren. Loïe Fuller wurde zur Muse der damaligen Kulturszene. Ihr reger Austausch mit Berühmtheiten aus der Wissenschaft, wie beispielsweise Pierre (1859-1906) und Marie Curie (1867-1934) oder Thomas Edison (1847-1931) halfen ihr bei den technischen Umsetzungen ihrer Bühnenerfindungen.
Keine geringeren Künstler als Auguste Rodin (1840-1917) oder Toulouse Lautrec (1864-1901) ließen sich von der eigens von Loïe Fuller selbst erschaffenen Kunstfigur inspirieren und würdigten sie in ihren Werken.
Lampen oder kleine Skulpturen in Bronze, Porzellan oder Glas in Form der „beflügelten“ Tänzerin gehörten zum Dekorationsrepertoir der Zeit.
Zweifelsohne nicht ohne Zufall ist „Emily“, die Kühlerfigur des Autoherstellers Rolls Royce, in Form
einer in Tücher gehüllten Schwebenden gestaltet.
Die Ausstellung zeigt dieses und zahlreiche Exponate weitere berühmter Maler, Bildhauer, Designer,
Fotographen und Plakatkünstlern, aber auch Zeitungsartikel und Werbeplakate und Anzeigen mit Bezug zu Loïe Fuller, sowie eindrucksvolle Kurzfilme mit Originalaufnahmen des berühmten Serpentinen- beziehungsweise Schleiertanzes.
Der Architekt Henri Sauvage (1873-1932) entwarf für Loïe Fuller einen Bühnenpavillon auf der Pariser Weltausstellung von 1900.
Ihre Bühnenshows, die sie auf ihren zahlreichen Europa- und Amerika Tourneen mit ihrem Tanz-Ensemble aufführte sorgten weltweit für Furore und Entzückung.
Die berühmte Tänzerin Isadora Duncan (1877-1927), Landsmännin und zeitweilig Mitglied in Loïes Tanzensemble schrieb über unsere Protagonistin:

„Dieses herrliche Geschöpf zerfloss zu Licht es wurde zu Farbe und Feuer und löste sich schließlich
in wundersame flammende Mäander auf.“

Filmsequenz Loïe Fuller - Clemens Sels Museum Neuss
Filmsequenz “Schlangentanz” – die Filmsequenz des von den Brüdern Lumière im Jahr 1896 aufgenommenen Films zeigt wahrscheinlich die als Papinta, die „Flammentänzerin“, bekannte Caroline Hipple Holpin, s. Europeana “Frauen im Jugendstil”
– Bild: ©Clemens Sels Museum Neuss

Zukunftsvisionen

Obwohl die Welt des Films noch in den Kinderschuhen steckte, ist Loïe Fullers Einfluss auch in dieser Branche offensichtlich. Auch Loïe begann sich um 1920 als Filmemacherin auszuprobieren. Leider verstarb sie 1928 in Paris. So blieb es ihr verwehrt weitere Filmprojekte zu realisieren.
Ihre schillernde und revolutionäre Persönlichkeit, ihr neues Bühnenkonzept und ihre Tanzchoreographien inspirierten weltweit die Tanzbühnen und sollten zukunftsweisend sein. Bis heute ist Loïe Fuller als Ikone der Bühnen- und Tanzwelt nicht wegzudenken.
Denken wir nun an Bühnenauftritte von Pink oder Lady Gaga – oder auch nur der unserer Töchter im Ballettunterricht mit bunten Bändern an Stäben durch den Saal tanzend – dann sollten wir auch an Loïe Fuller denken.

Die Ausstellung “Loïe Fuller Superstar – Tänzerin aus Licht und Farbe” im Clemens Sels Museum Neuss läuft noch bis zum 31. Januar 2022.

An dieser Stelle bedanke ich mich herzlich beim Clemens Sels Museum Neuss für die zur Verfügung gestellten Bilder.

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