Porzellan – Schloss Benrath und Frankenthal

Vor gefühlten 100 Jahren habe ich, damals noch Studentin und mit viel Idealismus versehen (der ist übrigens tatsächlich erhalten geblieben), eine Führung in Schloss Benrath in Düsseldorf gemacht, die sich mit der Geschichte des Porzellans im 17. und 18. Jahrhundert beschäftigte. Anlass für diese Führung war die große Sammlung Frankenthaler Porzellans, die das Schloss beherbergt. Im Rahmen dieser Führung ging es dann natürlich auch um drei ganz wichtige Kulturgüter, die eng mit dem Porzellan verbunden sind, nämlich Kaffee, Tee und Schokolade.

Nachdem ich beim Aufräumen eher per Zufall meine alten Karteikarten wiedergefunden habe, die den Ablauf der damaligen Führung enthalten, hier nun also eine kurze, allerdings nicht in allen Punkten dem Stand der heutigen Forschung entsprechende, Geschichte zur Geschichte des “weißen Goldes” und Frankenthaler Porzellan:


Porzellan – Das “weiße Gold”

Das Mutterland des Porzellans ist unbestreitbar China. Hier wird das edle, oftmals als weißes Gold bezeichnete Material seit dem 7. Jahrhundert hergestellt. Von China aus kam es nach Japan und erlebte hier etwa im 17. Jahrhundert eine hohe Blütephase.

Porzellankännchen
Incroyables et merveilleuse Darstellung auf Porzellankännchen: (Johann) Simon Feilner (1726–1798);
gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Das Faszinierende an Porzellan sind seine durchgehenden weißen, dichten Scherben, die mit farbloser Glasur versehen sind und eine ganz besondere Feinheit und Eleganz darstellen. Die wichtigsten Bestandteile sind Kaolin, Feldspat und Quarz, wobei das Kaolin quasi das „plastische Skelettgerüst“ darstellt, das von flüssigem Feldspat und Quarz umschlossen wird.

Hartporzellan besteht etwa zur Hälfte aus Kaolin und je einem Viertel aus Feldspat und Quarz und stellt die Form des Porzellans dar, die in europäischen Manufakturen am häufigsten gefertigt wurde und wird.

Weichporzellan hingegen besteht aus bis zu 50% Feldspat, 30-40% Quarz und nur zu 20-30% aus Kaolin. Diese Form des Porzellans findet sich im Mutterland China ebenso wie in Japan und ermöglicht eine noch dünnere, beinahe durchscheinende Form des Porzellans.

Bereits seit dem 13. Jahrhundert waren erste Einzelstücke aus Porzellan nach Europa gelangt, aber erst etwa 200 Jahre später versuchten sich erste Wagemutige und Alchemisten an der Herstellung von Porzellan in Europa. Diese ersten Versuche blieben sehr lange eher kläglich und ausgesprochen erfolglos, so dass sich zunächst einmal, etwa ab dem 17. Jahrhundert die Deflter Fayencen, quasi als Ersatzwaren in Europa ausbreiteten.

Aber auch schon zu jener Zeit gab natürlich, zumal den Europäern ja partout die Herstellung eigenen Porzellans nicht gelingen wollte, Importe. Teure Importe selbstredend, die nur den Reichsten der Reichen und jenen, die sich dafür hielten, zur Verfügung standen. Es war ein wahrer Strom chinesischen Porzellans, das sich da an die europäischen Fürstenhöfe ergoss. Insbesondere in England und den Niederlanden nahmen die Importe in der Zeit, die man gemeinhin als Barock bezeichnet, derartig zu, dass Porzellan nicht mehr ein unerreichbares Luxusgut war, sondern ein – wenn auch immer noch ausgesprochen kostbares – Gebrauchsgut wurde.


Kaffee, Tee, Schokolade und deutsches Porzellan

Eng verbunden war das Porzellan im 17. und 18. Jahrhundert vor allem mit den neuen Modegetränken: Kaffee, Tee und Schokolade. Sie sich ohne Porzellan vorzustellen war und ist im Grunde noch heute, eine unmögliche Idee. Vor allem an den Höfen und in reichen Bürgerhäusern hatten diese Getränke Einzug gehalten und wurden schnell als unentbehrlich betrachtet.

Briefmarke 300 Jahre Porzellanherstellung
Briefmarke zum 300jährigen Jubiläum der Porzellanherstellung in Deutschland by Nadine Nill für das Bundesministerium der Finanzen und die Deutsche Post AG (Deutsche Post AG) [Public domain or Public domain], via Wikimedia Commons

Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (1651-1708) machte in Deutschland seit dem Jahr 1693 erste Schmelzversuche, erhielt allerdings dabei lediglich rotes Steinzeug. Es sah also weiterhin nicht wirklich erfolgversprechend aus mit den Versuchen in Europa Porzellan herzustellen. Tschirnhaus‘ Kollege, Johann Friedrich Böttger (1682-1719), führte die Arbeiten nach dessen Tod weiter und fand offenbar schon kurz darauf den „Stein der Weisen“, denn am 28. März 1709 vermeldete er in Dresden die Erfindung des europäischen Porzellans!

Daraufhin wurde bereits 1710 in Meißen die erste Porzellanmanufaktur auf dem europäischen Kontinent gegründet. Im Jahr 1717 folgte eine Manufaktur in Wien, 1746 eine in Höchst, Fürstenberg, Nymphenburg, sowie in Frankenthal und schließlich 1751 auch eine in Berlin.

All diese Manufakturen standen in engem Kontakt zu kaiserlichen, königlichen und fürstlichen Höfen und sind ein wichtiger Teil der verfeinerten Kultur der Fürstenhöfe speziell des 17. und 18. Jahrhunderts.


Figürliches Porzellan – Ausdruck einer Ideenwelt

Jagdgruppe Frankenthaler Porzellan
„Jagdgruppe“ von Johann Friedrich Lück, Frankenthal um 1760;
Foto by User:FA2010 (Own work) [Public domain], via Wikimedia Commons

Nun kann man nicht behaupten, dass die Erfindung des Porzellans oder seine erstmalige Herstellung in Europa die Welt verändert hätten, aber sie haben sie sicher schöner gemacht und eleganter. Porzellan ist das Kind und ist der Ausdruck einer grenzenlos verspielten Zeit, die nicht nur in der Architektur, in Bildern, in der Musik ihren Ausdruck gefunden hat, sondern eben auch im Porzellan. Gerade in diesem Material scheint sie eine besondere Vollendung, einen besonderen Ausdruck gefunden zu haben, denn Porzellan gab den Modelleuren die Möglichkeit im Grunde jeden spielerischen Einfall, jede Farbidee, jede Phantasterei, Träumerei und Vorstellung bildlich in Szene zu setzen. So wurde Porzellan zum dreidimensionalen Ausdruck der Ideenwelt des Barock und des Rokoko und die häufig genutzte Form der Rocaille – der Muschel – wurde zur Formel einer ganzen Epoche und zu ihrer Namensgeberin. Neben der allgegenwärtigen Muschel wurden Blumen, rankende Pflanzen, jedwedes Exotische zum Inbegriff des Rokoko. Insbesondere die sogenannten Chinoiserien, ostasiatische Motive, beherrschten das Rokoko.

Im Jahr 1756 schrieb Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz an Voltaire: „Das gesittete, feingebildete Jahrhundert, das man als das goldene bezeichnet hat, scheint mir Ähnlichkeit zu haben mit den Sirenen, deren obere Hälfte als reizende Nymphe sich zeigt, während die untere in einem grausigen Fischschwanz ausläuft.“ Bilder und Vorstellungen, die sich in Porzellan umsetzen ließen.

Porzellanbossierer
Porzellanbossierer by Anonymous [Public domain or Public domain], via Wikimedia Commons

Vor allem in den Figuren spielt sich die spezielle Kunst der Porzellane des ausgehenden Barock und des Rokoko wieder. Jene Figuren wurden zunächst als Ton- oder Wachsmodelle gefertigt, dann in einzelne Teile geschnitten und von jenen sogenannten Hohlformen hergestellt. Diese Hohlformen wurden dann als Gipsabdruck umgesetzt und in jene die Porzellanmasse eingefüllt. Der Gips hatte den Vorteil, dass er die Feuchtigkeit aufnahm und so nach einer gewissen Trocknungsphase die Rohform aus Porzellan entnommen werden konnte. Die so entstandenen Einzelteile wurden von einem als Bossierer bezeichneten Handwerker mit Hilfe von Porzellanschlicker wieder zusammengesetzt und die Ansatzstellen geglättet. Die so entstandene vollständige Figur musste nun an der Luft trocknen und wurde später bei etwa 900° C gebrannt. Anschließend wurden die Figuren in ein Glasurbad getaucht und erneut gebrannt, diesmal bei etwa 1300-1400° C. Bei diesem als Garbrand bezeichneten zweiten Brand verlor die Figur mindestens ein Sechstel ihres Volumens.

Okeanus
Okeanus von Franz Conrad Linck [Public domain], via Wikimedia Commons; Foto: User: FA2010

Nun haben wir also eine hoffentlich schöne weiße Figur, die glänzt, aber wie kommen nun die oftmals opulenten Farben solche Figuren ins Spiel?

Hierfür gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Zum einen besteht die Möglichkeit noch vor dem Garbrand die Farben unter der Glasur aufzutragen. Das Problem dabei ist nur, dass nur wenige Farben der extremen Hitze des Garbrandes standhalten, so etwa Kobaltblau, das im 18. Jahrhundert tatsächlich als einzige Farbe unter der Glasur verwendet wurde. Alle anderen Farben sind sogenannte Muffelfarben und wurden stets über der Glasur aufgetragen. Dies allerdings machte einen dritten Brandvorgang nötig, der dann bei etwa 900° C stattfand.


Frankenthaler Porzellan

An der oben aufgeführten Liste der ersten Porzellanmanufakturen kann man unweigerlich erkennen, dass es sich bei ihnen in aller Regel um Prestigeprojekte von Kaisern, Königen und Fürsten handelte. Porzellan war Luxus, Porzellan herzustellen ein besonderer Ausdruck davon. In Meißen war es August der Starke, Kurfürst von Sachsen von König von Polen, der die erste Porzellanmanufaktur gründete, in Preußen war es der „alte Fritz“, sprich König Friedrich der Große und in Frankenthal? Da war es niemand geringerer als Carl Theodor, Kurfürst der Pfalz und später auch noch Kurfürst von Bayern, der schon immer hohe Ziele verfolgte.

Das in den eigenen Manufakturen hergestellte Porzellan diente dabei nicht nur der Ausstattung des eigenen fürstlichen Haushalts, sondern vor allem auch als Geschenk an hochgestellte Gäste, an andere Fürsten und Könige. So war es möglich zum einen die hoffentlich überragenden Fähigkeiten der eigenen Manufakturen und Handwerker vorzuführen und zum anderen auch die eigenen Machtansprüche und Ideen in allegorischer Form mit Hilfe von schönem „Nippes“ in die Welt zu tragen.


Die drei Epochen des Frankenthaler Porzellans

Im Gegensatz zu Meißen, Nymphenburg und der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur, die noch heute Weltruhm besitzen, war Frankenthal eine kleine, wenn auch feine Manufaktur, die auch nur 45 Jahre lang existierte. Diese Zeit allerdings zerfällt in drei zum Teil sehr verschiedene Epochen in denen sehr verschiedene Formen von Frankenthaler Porzellan entstanden:

  • Die erste Phase der Frankenthaler Geschichte liegt in den Jahren 1755-1762. Zu dieser Zeit gehörte die Manufaktur der Familie Hannong. Paul Anton Hannong (um 1700-1760) leitete (leider sind sich die Chronisten hier nicht wirklich einig) entweder bereits ab 1732 oder aber spätestens ab 1743 eine Fayencemanufaktur in Straßburg, die ehemals sein Vater aufgebaut hatte. Auf wohl eher dubiosen Wegen und eventuell durch Überläufer aus Meißen gelangte er an das Wissen der Porzellanherstellung, das er ab 1751 selbst herstellte. Das Problem war, dass er sich damit in Konkurrenz zur französischen Manufaktur in Vincennes begab, was ihm nicht gut bekam, denn jene Manufaktur war vom französischen König mit zahlreichen Privilegien zur alleinigen Herstellung von Porzellan versehen worden. Hannong blieb daher nichts übrig als seine Manufaktur zu verlegen und da er ehemals in Mainz geboren worden war, lag ein Umzug in den Süden Deutschlands nahe. So also gelangte Hannong in das pfälzische Territorium Carl Theodors, der ihm umgehend einen am 26. Mai 1755 veröffentlichten Vertrag gab, der ihm Steuererleichterungen und eine Monopolstellung für seine „Fabrique durchsichtigen Porzellains“ in der Kurpfalz garantierte. Neben diesem Vertrag erhielt Hannong überdies leerstehende Kasernen als Produktionsgebäude zugewiesen und wohl auch eine gewisse Menge Geld als Startkapital. Paul Anton Hannong übergab die Manufaktur seinem Sohn Karl und dessen Bruder Pierre-Antoine und ging selbst nach Straßburg zurück. Karl Hannong starb am 29. Juli 1757 und die Manufaktur ging an Joseph Adam Hannong, dessen Bestreben es war Porzellan zu möglichst günstigen Preisen zu produzieren und zu vertreiben, ein Bestreben, dass ihm nach dem Tod Paul Anton Hannongs zum Verhängnis wurde. Durch diverse Erbansprüche, die er zu bedienen hatte, geriet seine Frankenthaler Manufaktur in eine erhebliche wirtschaftliche Schieflage, so dass er sie am 1. Februar 1762 verkaufen musste.
Frankenthaler Porzellan
Heft Frankenthaler Porzellan in Schloss Benrath – Figuren von Irene Markowitz
  • Hiermit beginnt die zweite Phase der Frankenthaler Geschichte: Käufer der Manufaktur war kein Geringerer als der Kurfürst Carl Theodor selbst, der, wer hätte es nicht vermutet, die Manufaktur auch gleich umbenannte in „kurpfälzische Porzellanmanufaktur“ und ihr ein neues Markenzeichen kredenzte: den blauen Kurhut mit CT-Monogramm. Erstaunlich ist, dass Carl Theodor auch nach dem Jahr 1778, als er zum Kurfürst von Bayern wurde und damit in Besitz der Nymphenburger Manufaktur war, die Frankenthaler Manufaktur weiter förderte. Als technischen und künstlerischen Leiter setzte Carl Theodor Adam Bergdoll ein und ab 1775 Simon Feylner. Sie verbesserten die Qualität des Frankenthaler Porzellans erheblich. Vor allem der Farbigkeit wurde nun besonderes Augenmerk zuteil und auch die Anzahl der Modelle erhöhte sich stark. Die Formengebung begann sich dem entstehenden Frühklassizismus anzupassen. Zudem wurden Verkaufsstellen für Frankenthaler Porzellan in Den Haag, Mainz, Frankfurt, Aachen, München, Basel, Nancy und Livorno eröffnet. Einen letzten Höhepunkt erlebte die Frankenthaler Manufaktur im Jahr 1779 mit der Anwerbung des Höchster Modellmeisters Johann Peter Melchior, der wohl der bedeutendste Modellmeister nicht nur seiner Zeit war.
  • Dennoch konnte der Niedergang der „kurpfälzischen Porzellanmanufaktur“ nicht aufgehalten werden und manifestierte sich spätestens ab 1794 ausgesprochen deutlich. Bereits der Umzug Carl Theodors nach München im Jahr 1777 bedeutete, da nun das renommierte Nymphenburg als direkte Konkurrenz quasi im eigenen Haus vorhanden war, ein Problem für Frankenthal. Der Einmarsch der französischen Armee 1794 und die dadurch notwendig gewordene Verlagerung der Produktion und Lagerstätten nach Mannheim wirkten sich zusätzlich negativ aus. 1797 wurde die Manufaktur kurzfristig Johann Nepomuk van Recum übergeben, kam jedoch schnell wieder an die pfälzische Verwaltung zurück. Die Abtretung der linksrheinischen Gebiete der Pfalz an Frankreich im Jahr 1797 führte jedoch dazu, dass die Frankenthaler Porzellanmanufaktur erneut an van Recum übergeben wurde. Er siedelte die Formen, Geräte und wichtige Arbeitskräfte 1799 nach Grünstadt um und produzierte fortan nur noch Steingut. Damit war die kurze Geschichte von Frankenthaler Porzellan im Grunde bereits vollendet. Endgültig zu Grabe getragen wurde sie durch ein Reskript des Kurfürsten Maximilian IV. Joseph am 27. Mai 1800. Johann Peter Melchior, das Aushängeschild Frankenthals sowie viele Formen und Ideen der Manufaktur siedelten bereits 1797 nach Nymphenburg über.
Frankenthaler Porzellan
Heft Frankenthaler Porzellan in Schloss Benrath – Services von Irene Markowitz

Soweit der erste Teil meiner damaligen Porzellanführung in Schloss Benrath über Frankenthaler Porzellan. Leider stehen mir keine Bilder der Benrather Sammlung zur Verfügung, so dass es schwierig ist den zweiten Teil der Führung hier wiederzugeben, aber ich werde mich um eine Lösung bemühen und hoffe auch den zweiten Teil hier bald präsentieren zu können.

Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

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