Von Haselmäusen und Pfauenfedern – Esskultur im antiken Rom
Wenn Sie an römische Feste, an die Esskultur im antiken Rom und an die Mahlzeiten der alten Römer denken, denken Sie dann auch zuerst an Orgien? Wenn das so ist, dann sind Sie wohl den Bildern und Szenen in opulenten historischen Monumentalfilmen erlegen und benutzen das Wort Orgie in einer Bedeutung, die es ursprünglich gar nicht hatte.
Also war eigentlich alles ganz anders?
Ja – und ein klein wenig auch Nein – aber lassen Sie uns die Geschichte einfach mal der Reihe nach betrachten.
Von Orgien und Alltagsessen
Die Römer und die Esskultur des Alltags
Von Abendessen und Speisezimmern – Esskultur im alten Rom
Wenn Gäste Bedingungen stellen – Esskultur im alten Rom
Wenn Gastmähler zu Orgien werden – Esskultur im alten Rom
1000 Rezepte vom Morgen- bis zum Abendmahl – Esskultur im alten Rom
Die Welt der Gewürze und neue Sitten
Der mediterrane Lebensstil hält Einzug
Der erste Kochbuch-Bestseller der Weltgeschichte: Apicius
Garum, garum, garum – das Würzwunder der alten Römer
Die ultimative römische Einkaufsliste à la Apicius
Römischer Speiseplan: Fleisch im antiken Rom
Römischer Speiseplan: Alles Käse in Rom
Römischer Speiseplan: Geflügeltes Rom
Römischer Speiseplan: Wildes Rom
Römischer Speiseplan: Fische in Rom
Römischer Speiseplan: Die Früchte des Meeres in Rom
Römischer Speiseplan: Vegetarisches Rom
Römischer Speiseplan: Fruchtiges Rom
Römischer Speiseplan: Süßes Rom
Römischer Speiseplan: Fast-Food à la Rom
So lassen Sie uns speisen – ein Gastmahl in der Colonia Ulpia Traiana
Essen von feinem Geschirr – Terra Sigillata
Inhaltsverzeichnis
Von Orgien und Alltagsessen
Sicher gab es im Alten Rom opulentes Leben, opulente Feiern und vor allem in der Kaiserzeit auch opulente Mähler, vor allem Gastmähler, aber das Wort Orgie meinte in der Antike etwas ganz anderes als heute:
Die Etymologie des Wortes ist nicht ganz eindeutig zu klären, aber „orgia“ bedeutete eine rituelle Kulthandlung. Warum die „Orgie“ dann im deutschen Sprachgebrauch jene Bedeutung absoluter Übermäßigkeit und vor allem auch eine sexuelle Konnotation erhielt, das liegt schlechterdings an den Bacchus-Mysterien von denen man wusste, dass sie vor allem aufgrund sexueller Ausschweifungen verboten worden waren.
Die „Orgie“ der Römer fand überall da statt, wo abseits der offiziellen Staatsreligion Kulte, insbesondere Mysterienkulte stattfanden, die nur Eingeweihten zugänglich waren. Ja und manchmal ging es dabei eben auch ausgesprochen ausschweifend her oder eben „allzu menschlich“ (aber schauen Sie sich heute mal in Clubs und Bars von so manchem Urlaubsort um). Ganz besonders in Verruf geriet dabei der Bacchus-Kult, den die Römer einst aus Griechenland importiert hatten. Nun, das ist bestimmt kein Wunder, denn Bacchus ist nunmal der Gott des Weins und Alkohol löst eben nicht nur die Zunge. Die Feste, die man zu Ehren dieses Weingottes abhielt wurden übrigens „Bacchanalien“ genannt und wie man sie sich so vorstellte und was man so über sie erzählte, das schildert uns Titus Livius (ca. 59 v. Chr.-17 n. Chr.) in seiner „Ab urbe condita“ ziemlich sensationslüstern[1]:
„Ein gemeiner Grieche kam zuerst nach Etrurien, ohne irgendeine von jenen Geschicklichkeiten zu besitzen, deren das unterrichtetste aller Völker so manche Bildung des Geistes und des Körpers bei uns eingeführt hat – ein bloßer Opferpriester und Wahrsager, und zwar kein solcher, der durch unversteckte Ausübung gottesdienstlicher Gebräuche bei offener Angabe seine Erwerbes und seiner Lehre in den Gemütern ein heiliges Grauen zu wecken suchte, sondern er leitete einen geheimen und nächtlichen Gottesdienst. Die geheimnisse der Weihe wurden zuerst nur wenigen mitgeteilt, dann wurden sie mehr allgemein unter Männern und Weibern. Um mehrere anzulocken, wurden die Reize des Weins und des Mahles mit dem Gottesdienste in Verbindung gesetzt. Wenn der Wein die Besinnung, wenn die Nacht und das Gemisch aus Männern und Weibern des zarteren Alters mit Bejahrteren jede schamhafte Entfernung vernichtet hatte, so führte dies zuerst zu Sünden der Unzucht aller Art, da sich jeder den Genuß dessen, wozu er sich am stärksten gelüstet fühlte, geboten sah: Allein die Entehrungen des eigenen und des anderen Geschlechts an freigeborenen Knaben und Weibern blieben nicht die einzige Art der Verbrechen, sondern falsche Zeugnisse, falsche Siegel, Testamente und Anklagen gingen aus derselben Werkstatt hervor; eben daraus Vergiftungen und Familienmorde, bei welchen zuweilen nicht einmal die Leichname zum Begräbnisse aufzufinden waren. Vieles unternahm hier die List, das meiste die Gewalt: Und die Gewalttat blieb unter der Hülle, weil man vor vielfachem Geheule, vor dem Getöse der Pauken und Schallbecken bei allen Schändungen und Mordtaten kein Hilferufen hören konnte. Dies verderbliche Übel zog sich wie eine ansteckende Seuche aus Etrurien nach Rom. Zuerst gab ihm die Größe der Stadt, für solche Übel geräumiger und empfänglicher, eine Verborgenheit.
Das klingt wirklich nicht schön, auch wenn viele dieser Aussagen pure Propaganda sind. Sie sehen also: es ist wohl kaum so gewesen, dass sich das römische Leben in Orgien abspielte. Dann hätte das mit dem Weltreich sicher nicht so lange funktioniert.
Außerdem merken wir auch, dass der antike Begriff „Orgie“ recht wenig mit Essen, viel eher noch mit alkoholischen Getränken, vor allem eben mit Wein zu tun hat.
Also gehen wir weiter auf die Suche nach römischen Essgewohnheiten:
Wir werden fündig bei Martial (40-103/104):
„Du wirst gut bei mir speisen, mein Julius Cerialis. […]
Fisch wird es geben, Schweinefilet, Saueuter und
fette Vögel vom Hof und aus dem Sumpf,
wie selbst Stella sie nur selten auf den Tisch bringt.
Und ich verspreche dir noch mehr: Ich werde nichts vortragen!“[2]
So einiges von diesem Gastmahl würden wir auch noch heute bedenkenlos auf den Tisch stellen. Nur der Saueuter, der hört sich denn doch ein wenig gewöhnungsbedürftig an. Für römische Verhältnisse allerdings war dies ein schon wirklich opulentes Mahl.
Die Römer und die Esskultur des Alltags
Die Römer der Frühzeit lebten vor allem vegetarisch. Die meisten waren Bauern, betrieben Ackerbau und auch ein wenig Viehzucht und so sah auch ihre Speisekarte aus. Erst mit der zunehmenden Expansion des Reiches veränderten sich die Essgewohnheiten, wenn auch zumeist nur für die Reichen.
Für die allermeisten blieb Getreide das Hauptnahrungsmittel. Brot allerdings war es nicht, dass man daraus herstellte, sondern viel eher ein Brei, der „puls“ genannt wurde. Er bestand aus Getreide (oftmals Dinkel), Wasser, Salz und Fett; manchmal unter Beigabe von Gemüse. Liebend gerne auch aß man dazu Käse, Knoblauch und Oliven.
Selbst für die römische Oberschichte war „puls“ ein häufiges Lebensmittel, allerdings verfeinerten sie es mit Honig oder Fleisch und später dann auch mit Eiern. Nun und wenn wir heute den Verfall der Esskultur beklagen, weil so viele Menschen nicht mehr selber kochen, sondern nur kurz in die Imbissbude oder die Pizzeria nebenan springen, nun, dann können wir demnächst auf eine römische Tradition verweisen, denn auch die Römer (zumal die der Mittelschicht) aßen beinah nie zuhause, ja viele hatten nicht einmal eine Küche (wie wir aus Pompeji wissen). Der gemeine Römer holte sich seine tägliche Nahrung aus einer Garküche. Davon gab es reichlich und hier bekam man für kleines Geld eine warme Mahlzeit.
Anders sah es beinahe nur bei der Oberschicht aus. Sie hatte Küchen und sie kannten auch die feine Küche und vor allem: sie hatte Köche (wozu sich selber diesen Stress auch antun).
Man lud Freunde zum Essen ein in eben jener Oberschicht und natürlich ging es dabei auch um Repräsentation, um die Darstellung des eigenen Reichtums und der eigenen Macht und deshalb durften es natürlich vor allem gerne teure Lebensmittel sein, die auf den Tisch kamen. Zu den teuersten gehörten (das ist heute nicht viel anders) vor allem seltene Fischarten. Aber auch exotisches Fleisch wurde gerne genommen: Elefant zum Beispiel, denn der schmecke, so weiß Plinius d. Ältere (23/24-79) zu berichten, „als esse man Elfenbein“.[3]
Dass aber der höhere Preis nicht zwingend mit dem besseren Geschmack korreliert, das war auch den alten Römern schon geläufig und so schrieb Martial: „Ob ich ein Haselhuhn oder ein Rebhuhn bin – was macht das schon, wenn dich beides gleich schmeckt / Das Rebhuhn ist viel teurer. Also schmeckt es auch besser.“[4]
Ihnen ist bestimmt schon aufgefallen, dass die Römer vor 2.000 Jahren eigentlich gar nicht so viel anders gestrickt waren als wir heute und daher können Sie sich sicher auch lebhaft denken, dass das Essen vor allem eine Show sein musste, d.h. es wurde garniert und dekoriert was das Zeug hielt. So kann man immerhin auch etwas Billigeres deutlich teurer aussehen lassen.
Von Abendessen und Speisezimmern – Esskultur im alten Rom
Die wichtigste Mahlzeit im alten Rom war, genau wie noch heute in südlichen Ländern, die Abendmahlzeit, die man „cena“ nannte. Dies galt in erster Linie für die Reichen. Oft begann diese durchaus üppige Mahlzeit bereits um den frühen Nachmittag, also gegen 14 oder 15 Uhr. Speziell für diese Mahlzeit gab es die „vestis cenatoria“, ein bequemes Gewand, das man anzog bevor man sich ins Speisezimmer auf die Liege begab.
In der Regel bestand die „cena“ aus zwei bis drei Gängen, die jeweils aus mehreren Speisen bestanden und von Hausangestellten oder Sklaven an den Tisch gebracht wurden. Dabei folgte die Reihung der Speisen einem strikten Plan, der kurz zusammengefasst „ab ovo ad mala“ lautete, also vom Ei bis zu den Äpfeln und wie noch heute – zum Beispiel in Frankreich – konnte sich ein solches Mahl über viele Stunden bis in den späten Abend erstrecken.
Das Speisezimmer nannte man „triclinium“. Seinen Namen verdankt der Raum eigentlich den Griechen, denn sie nannten die Liegen auf denen bis zu drei Personen Platz fanden und auf denen man sich zum Essen niederlegte „klinē“. Sie standen in Hufeisenform um einen niedrigen Tisch herum auf dem das Essen serviert wurde.
Das hört sich gar nicht so schlecht an finden Sie? Nun, dann sollten Sie hoffen, dass sie ein Mann sind, denn als Frau war man hier nicht unbedingt erwünscht und wenn dann maximal in der Art eines „Schoßhündchens“, unterhalb der Liegen auf einem Schemel platziert. (Ja, charmant ist anders und emanzipiert erst recht). Erst in der Kaiserzeit war es Frauen langsam aber sicher erlaubt sich ebenfalls auf den Liegen niederzulassen und endlich „auf Augenhöhe“ mit den Männern zu speisen. (Bei den Etruskern hatte das übrigens völlig anders ausgesehen, wie wir von einigen Darstellungen wissen).
Solch luxuriöse Version des Essens war allerdings, Sie ahnten es wahrscheinlich schon, wieder einmal nur den Reichen vorbehalten. In der Mittel- und Unterschicht saß man beim Essen, auf Hockern und Bänken, ohne Rückenlehne und eher unbequem und auf Dauer sogar schmerzhaft, wie eine Anekdote bezeugt, die Plutarch (um 45-um 125) über den jüngeren Cato (95 v. Chr-46 v. Chr.) zum Besten gab: „Seit dem Tag, als er von der Niederlage bei Pharsalos erfahren hatte, aß er im Sitzen; es war eines der Anzeichen seiner Trauer, und er legte sich nicht mehr nieder, außer zum Schlafen.“[5]
Besteck gab es bei den Römern übrigens auch, allerdings nur Messer und Löffel (das mit den Gabeln sollte noch eine ganze Weile dauern; da ging noch eine Menge Weltgeschichte ins Land). Naja und weil man mit diesen Gerätschaften eben doch nicht alles so ganz perfekt zu fassen bekommt mussten eben auch die Hände zum Einsatz gebracht werden; diese allerdings wurden zwischen den Gängen von Sklaven mit parfümiertem Wasser gereinigt.
Servietten gab es im Übrigen auch schon, sie hießen „mappae“ und waren auch ganz praktisch, um sich für zu Hause ein „Doggy bag“ zu basteln (was gar nicht so selten geschah).
Pausen, selbst „Pippi-Pausen“, konnte man während des Essens nicht machen wann man Lust und Laune (oder auch Bedürfnis) hatte. Auch die Pausen waren streng geregelt und es gab sie meist nach dem Hauptgang. Man nutzte diese Pause übrigens auch gleich, um den „Lares“, den Hausgöttern zu opfern.
Zu viel zu essen war anscheinend beabsichtigt oder zumindest nicht unbedingt selten, denn die berühmten Pfauenfedern, die gab es wirklich und sie wurden zwischen den Gängen gereicht, damit man … (naja, Sie können es sich denken).
Wenn Gäste Bedingungen stellen – Esskultur im alten Rom
Offenbar kam es auch vor, dass Gäste auf eine Einladung mit einem Katalog von Bedingungen reagierten, um die Einladung anzunehmen; zumindest dann, wenn sie Plinius hießen. Hier seine Antwort auf eine Einladung:
„Gaius Plinius grüßt
seinen Freund Catilius Serverus.
Ich komme gerne zum Abendessen zu dir, aber möchte jetzt schon darum bitten,
dass es nicht allzu üppig ausfällt, dass es stattdessen genügend intelligente
Gespräche nach Art des Sokrates gibt, aber auch an diesen nicht allzu viel.
Denn es wird so manchen Besuch vor Anbruch des Morgens geben, und selbst Cato
käme nicht ungestraft davon, wenn er dort hineingeraten wäre – er, den Julius
Caesar so sehr tadelte, dass es schon wieder ein Lob ist. Er schreibt nämlich,
dass Leute, die ihn, betrunken wie er war, auf der Straße trafen und sein Haupt
enthüllten, erröteten, und dazu meinte er: ‚Da hätte man glauben mögen, dass
nicht jene den Cato ertappt hätten, sondern er sie.‘ Wie könnte man Cato
größere Autorität zusprechen, als dass man ihm selbst in betrunkenem Zustand
noch Hochachtung entgegenbringen musste? Was unser Abendessen betrifft, so
sollten sich nicht nur der Aufwand und die Kosten im Rahmen halten, sondern
auch die Dauer des Ganzen. Wir gehören schließlich nicht zu jenen Leuten, die
nicht von ihren Feinden gelobt werden können, ohne dass sie sie dabei
gleichzeitig loben.
Lebe wohl.“[6]
Wenn Gastmähler zu Orgien werden – Esskultur im alten Rom
Dem Wunsch des Plinius können wir entnehmen, dass solche Gastmähler wohl tatsächlich manchmal aus dem Ruder laufen konnten. Wie sehr sie aus selben laufen konnten, das beschreibt in ausgesprochen beeindruckender Weise eine Passage aus dem satirischen Roman des Titus Petronius (ca. 27-66), der Mitglied des Hofstaats Neros war und dort sicher so einiges erleben durfte, wenn man Überlieferungen so glauben darf. Auf jeden Fall schrieb er einen satirischen Roman, der vom neronischen Hof sicher nicht ganz uninspiriert war, bekannt unter dem Titel „Satyricon“. In der folgenden Szene geht es um ein Gastmahl bei einem gewissen Trimalchio zu dem die Hauptfigur Encolpius eingeladen wird:
„(3) Endlich legten wir uns zu Tisch: Sklaven aus Alexandria gossen uns schneegekühltes Wasser über die Hände, andere folgten zu unseren Füßen und entfernten mit ungeheurem Geschick die Niednägel. (4) Und nicht einmal bei diesem so lästigen Geschäft bewahrten sie ruhe, sondern sangen dazu. (5) Ich wollte ausprobieren, ob das ganze Gesinde singe und verlangte deshalb zu trinken. (6) Ein Sklave ging überaus hilfsbereit ebenso mit schmetterndem Gesang auf meinen Wunsch ein und alle anderen, die man um einen Gefallen bat. (7) man hätte sie für einen Pantomimenchor halten können, nicht für die Dienerschaft im Speisezimmer des Hausherrn. (8) Gleichwohl wurde eine sehr leckere Vorspeise aufgetragen; denn alle hatten sich allmählich niedergelegt, außer allein Trimalchio, für den neumodisch der erste Platz freigehalten wurde. Unter anderem hatte man zum Aperitif einen korinthischen Esel mit einem Quersack aufgestellt, der auf der einen Seite hellgrüne Oliven, auf der anderen schwarze trug. (10) Zwei Schalen umgaben den Esel auf deren Rändern der Name Trimalchio eingraviert war, und das Silbergewicht. Angelötete Stege trugen noch Haselmäuse, die mit Honig und Mohn bestreut waren. (11) Auch lagen heiße Würstchen über einem silbernem Grillrost und unter dem Rost syrische Pflaumen mit den Kernen von Granatäpfeln.
32 (1) Wir waren bei diesen Köstlichkeiten, als man Trimalchio selbst unter Musikbegleitung hereinbrachte und er uns dadurch, dass man ihn in einem Berg von Kissen verschanzte, uns unbeabsichtigt ein Lachen abnötigte. (2) Denn aus seinem roten Umhang schaute nur sein glatt rasiertes Haupt heraus und um seinen kleiderbeladenen Nacken hatte er ein Halstuch mit breitem Purpurstreifen gelegt, dessen Fransen beidseits herunterhingen. (3) Auch trug er am kleinen Finger der linken Hand einen großen vergoldeten Ring und zusätzlich am äußersten Glied des folgenden Fingers einen kleineren, wie mir schien, aus massivem Gold, an den aber ringsum gleichsam Sterne aus Eisen angelötet waren. Und um nicht nur diesen Reichtum zu zeigen, trug er den rechten Arm frei, den ein goldenes Armband zierte und ein Elfenbeinreif, den eine glänzende Metallschließe zusammenhielt.
33 (1) Sobald er mit einer Silberfeder in seinen Zähnen herumgestochert hatte, sagte er dann: „Freunde, es war mir noch nicht genehm, ins Speisezimmer zu kommen, aber um euch durch meine Abwesenheit nicht länger hinzuhalten, habe ich mir allen Spaß versagt. Lasst mich trotzdem noch zu Ende spielen.“ (2) Es folgte ihm ein Sklave mit einem Spielbrett aus Terebinthenholz und Würfeln aus Bergkristall. Da konnte ich nun die Krönung seines Geschmacks bemerken: statt weißer und schwarzer Spielsteine verwendete er nämlich Gold- und Silbermünzen. (3) Während jener inzwischen beim Spiel die Kraftausdrücke aller Weber abhakte, wurde uns, die wir uns immer noch der Vorspeise hingaben, ein Tafelaufsatz mit einem Korb herbeigebracht, in dem eine Henne aus Holz saß, die ihre Flügel nach der Art derer, die auf ihren Eiern sitzen, zu einem Kreis öffnete. (4) Es kamen sofort zwei Sklaven dazu und begannen bei furioser Musik das Stroh zu durchsuchen. Sie kramten Pfaueneier heraus und verteilten sie unter die Gäste. Trimalchio richtete seine Augen auf diese Szene und sagte: „Freunde, ich habe der Henne Pfaueneier unterlegen lassen; und, bei Herkules, ich fürchte, sie sind schon angebrütet. Lasst uns trotzdem probieren, ob man sie noch ausschlürfen kann. (6) Wir bekommen Löffel, die nicht weniger als ein halbes Pfund wiegen, und durchbrechen die Eier, die aus einem fetten Teig geformt sind. (7) Ich jedenfalls hätte meinen Anteil fast weggeworfen, denn er schien mir schon zu einem Embryo geworden zu sein. (8) Sobald ich aber einen alterfahrenen Gast hatte sagen hören: „Hier muss es irgendwas Gutes geben“, griff ich mit der Hand in die Schale und fand eine sehr fette, von gepfeffertem Eidotter umhüllte Feigenschnepfe.
34 (1) Schon hatte Trimalchio jetzt, nachdem er sein Spiel unterbrochen hatte, eben all diese Kostbarkeiten nachverlangt und mit deutlicher Stimme freigestellt, noch einmal Honigwein zu nehmen, wenn einer das wolle, als die Musik plötzlich einen Tusch spielt und das Geschirr der Vorspeise auf einmal von einem Gesangschor abgetragen wird. (2) Als dabei in der Aufregung durch ein Missgeschick eine Schüssel hinfiel und der Sklave sie wieder vom Boden aufhob, bemerkte es Trimalchio. Er ließ den Sklaven mit Fausthieben bestrafen und die Schüssel wieder hinwerfen. (3) Der Geschirrmeister trat ein und begann, mit einem Reisigbesen das Silbergeschirr samt dem übrigen Kehricht hinauszufegen.
(4) Dann traten zwei dichtbehaarte Äthiopier ein mit kleinen Schläuchen, wie man sie gewöhnlich benutzt, um den Sand im Amphitheater zu besprengen, und gossen Wein über die Hände; denn Wasser bot niemand an. (5) Wir lobten den Herrn für seinen Geschmack. Da sagte er: „Mars liebt es gleich. Deshalb habe ich jedem seinen persönlichen Tisch zuteilen lassen. Zusätzlich werden uns die stinkenden Sklaven durch ihre geringere Zahl weniger die Luft verpesten.“ (6) Sofort wurden sorgfältig vergipste Glasamphoren herbeigebracht, an deren Hals Etikette mit folgender Aufschrift befestigt waren: „Falerner aus dem Konsulatsjahr des Opimius, hundert Jahre alt.“ (7) während wir das Etikett genau studierten, klatschte Trimalchio in die Hände und sagte: „Oh je, da lebt der Wein also länger als ein Menschlein! Lasst uns also lustig zechen! Wein bedeutet Leben! Ich tische echten Opimianer auf. Gestern hatte ich nicht so guten hingestellt und doch waren Leute von viel höherem Rang eingeladen. “ (8) Wir tranken also und bewunderten die Kostbarkeiten mit größter Aufmerksamkeit. Währenddessen brachte ein Sklave ein Skelett herbei, das so gebaut war, dass sich seine lockeren Gelenke und Wirbel überallhin bewegen ließen. Als es Trimalchio mehrfach auf den Tisch hatte fallen lassen, und dabei das bewegliche Gefüge einige Gestalten entstehen ließ, bemerkte Trimalchio dazu: (10)
‚Weh wir armen Würstchen, wie ist all Menschliches nichtig!
so werden alle wir sein, sobald uns der Orcus hinwegrafft.
Also leben wir so-lang es uns gut gehen kann!‘
35 (1) Dem Beifall folgte ein Gang, aber bei weitem nicht so reichhaltig, wie erwartet. Doch zog seine Originalität aller Blicke auf sich. Denn auf dem runden Tafelaufsatz waren kreisförmig die zwölf Sternzeichen angeordnet, über denen der Arrangeur eine jeweils eigene und inhaltlich passende Speise angerichtet hatte: Über dem Widder Widdererbsen, über dem Stier ein Stück Rinderbraten, über den Zwillingen Hoden und Nieren, über dem Krebs einen Kranz, über dem Löwen eine afrikanische Feige, über der Jungfrau eine Jungsaugebärmutter, über der Waage eine Balkenwaage in deren einen Schale warme Torte, und der anderen Kuchen war, über dem Skorpion einen kleinen (gleichnamigen) Seefisch, über dem Schützen einen Hasen, über den Steinbock einen Heuschreckenkrebs, über den Wassermann eine Gans, über die Fische zwei Seebarben. (5) In der Mitte aber lag auf einem mit allen Kräutern ausgestochenen Rasenstück eine Honigwabe. Ein ägyptischer Sklave bot aus einem silbernen Toaster Brot an und quälte selbst mit widerlichster Stimme ein Arie aus dem Laserpicium-Singspiel hervor. (7) Als wir uns etwas missmutig an die so einfache Speisen heranmachten, sagte Trimalchio: „Ich rate zu essen; das hier ist nur das Anrecht auf (die Suppe zum) Essen.“
36 (1) Sobald er dies gesagt hatte, liefen zur Musik im Dreiertakt des Waffentanzes vier Sklaven hervor und hoben den oberen Teil des Tafelaufsatzes ab. (2) Darauf sahen wir darunter [freilich auf einem zweiten Speisebrett] Mastgeflügel, Saueuter und in der Mitte einen Hasen, der so mit Federn zurechtgemacht war, dass er wie Pegasus aussah. (3) In den Ecken des Tischaufsatzes bemerkten wir auch vier Marsyasfiguren, aus deren Schläuchlein gepfefferte Sauce über die Fische lief, die wie in einem Bassin schwammen. (4) Vom Gesinde angefangen spenden wir alle Beifall und machen uns lachend die erlesensten Dinge her. (5) Trimalchio sagte über diesen Gag ebenso erfreut: „Teile!“ (6) Sofort trat ein Trancheur hervor und zerlegte zur Musikbegleitung wild gestikulierend die Gerichte so, dass man glauben mochte, ein keltischer Wagenkämpfer liefere unter den Klängen einer Wasserorgel einen Schaukampf. (7) Nichtsdestoweniger warf Trimalchio mit schleppender Stimme immer wieder ein: „Teile, teile!“. Ich vermutete das sooft wiederholte Wort habe eine feine Pointe, und fragte ohne Scheu eben danach meinen oberhalb liegenden Tischnachbarn. (8) Aber jener hatte schon öfter derartige Spiele gesehen und sagte: „Siehst du den, der die Gerichte zerteilt? Er heißt ‚Teile‘. Sooft er also ‚Teile‘ sagt, ruft er ihn sowohl mit dem selben Wort als erteilt er auch den Befehl.“[7]
Na, haben Sie jetzt Hunger bekommen oder eher einen Ekelanfall?
Der jüngere Plinius konnte es übrigens überhaupt nicht witzig finden, wenn ein Gast nicht zu einem seiner grandiosen Festessen erschien (das ist wohl ein Generationenproblem, soll’s damals schon gegeben haben):
„Mein lieber Septicius Clarus,
He Du! Du versprichst, zum Essen zu kommen, und kommst nicht! Das Urteil
lautet: auf Heller und Pfennig wirst du mir die Kosten ersetzen – und sie waren
nicht gering. Da lagen für jeden bereit: ein Kopfsalat, drei Schnecken, zwei
Eier, Grießbrei mit Honigsauce und Schnee – denn auch den wirst du bezahlen, ja
den vor allem, der in der Schüssel zerfloss -, Oliven, Mangold, Melonen,
Zwiebeln und tausend andere nicht weniger feine Sachen. Du hättest einen
Komödianten oder einen Vorleser oder einen Lautenspieler oder – meine
Großzügigkeit ist ja bekannt! – alle zusammen hören können. Aber du hast bei
irgendeinem andern Austern, Schweinsgekröse, Seeigel und Tänzerinnen aus Cadiz
vorgezogen.
Das wirst du mir büßen! Wie, sage ich nicht. Rücksichtslos hast du gehandelt;
du hast dich damit vielleicht um einen Genuss gebracht, auf jeden Fall mich –
aber doch auch dich. Wie hätten wir gescherzt, gelacht und über Literatur
geplaudert! Du kannst bei vielen üppiger essen, nirgends heiterer,
ungezwungener, freier. Kurz, versuche es, und wenn du nachher nicht lieber den
andern absagst, dann sag mir für immer ab!
Dein Gaius Plinius“[8]
Lassen wir die beiden weiter streiten, denn wir wissen eh nicht wie der Streit damals ausgegangen ist, zumindest scheint der liebe Plinius wirklich sehr angefressen gewesen zu sein.
Wie auch immer. Wir sehen uns mal weiter in den römischen Küchen um, mal schauen, was wir da sonst noch so finden …
1000 Rezepte vom Morgen- bis zum Abendmahl – Esskultur im alten Rom
Gut 1.000 Rezepte sind uns von den Römern überliefert worden. Ein guter Grundstock also, um sich mit ihrer Küche und ihren Essgewohnheiten vertraut zu machen.
Dabei stammen auch einige Rezepte und Beschreibungen aus der Welt des „Otto-Normal-Römers“. Das wohl beste Beispiel findet sich in einem Text, der ursprünglich Vergil (70 v. Chr. – 19 v. Chr.) zugeschrieben wurde. Hier wird das Alltagsleben eines Pachtbauern beschrieben und netterweise auch sein Essen. Unser Pachtbauer heißt Simylus, was so viel bedeutet wie „Plattnase“ und dementsprechend wenig schmeichelhaft ist. In den überlieferten Versen wird uns beschrieben, wie er sein Morgenmahl zubereitet: die Basis ist ein Teigfladen und dazu gibt es das berühmte „moretum“:
„Lockert zuerst nur leicht mit den Fingern die obere
Erde,
Ziehet den Knoblauch heraus, vier Stück mit dem Wurzelgefaser,
Darauf pflückt er vom Laub des zierlichen Eppichs (Sellerie), Raute
Starrendes Blatt, Koriander, der schwankt am Faden des Stengels.
So hat er alles beisammen und setzt sich ans muntere Feuer
Und von der Dienerin heischt er mit schallender Stimme den Mörser.
Dann befreit er zuerst die Knoblauchköpfe vom Körper,
Blättert die Häute herunter, die äußeren, die er verächtlich
Rings auf den Boden verstreut und wegwirft. die Zwiebel bewahrt er:
Netzt sie und senkt sie hinab in des Steines rundliche Höhlung.
Salz nun streut er darauf, und vom Salze gehärteten Käse
Tut er hinzu, legt oben darauf die erwähneten Kräuter;
Stopft dann unter die struppige Scham mit der Linken den Kittel.
Aber die Rechte erweicht mit dem Stößel den duftenden Knoblauch;
Dann zerstampft sie das Ganze, es wird vom Safte durchdrungen.
Ringsum wandert die Hand: allmählich verlieren die Teile,
Jeder die eigene Kraft: die Farbe aus mehren eine,
Nicht ganz grün, da die Brocken des milchigen Käses es hindern,
Nicht schlohweiß von der Milch, da soviel der Kräuter es färben.
Und mit gerümpftem Gesicht verwünscht er selber sein Frühstück;
Oft auch wischt mit dem Rücken der Hand er die tränenden Augen
Und mit zornigem Wort verflucht er den schuldlosen Herdrauch.
Vorwärts schreitet das Werk, und mehr hüpfend wie früher,
Sondern schwer bewegt sich der Stößel in langsamen Kreisen.
Da nun träufelt er auf vom Öl, dem Palladischen Tropfen,
Gießt auch sparsam dazu den kraftvoll wirkenden Essig
Und mischt wieder sein Werk, und stößt er die Mischung.
Dann erst geht er im Innern des Mörsers mit zweien der Finger.
Rings im Kreis und ballt das Getrennte zusammen zur Kugel.
Jetzt ist fertig die Schöpfung, nach Art und Namen Moretum.“
Das „moretum“ galt den Römern als „altehrwürdige Speise“ und der Dichter Ovid (43 v. Chr. – 17 n. Chr.) fand sie derart köstlich, dass er der Meinung war man könne sie sogar einer Göttin vorsetzen, wie er in seinen „Fasti“ schrieb.[9]
So also sah das Frühstück aus, wie aber ging es weiter? Ging es überhaupt weiter?
Ja, das haben wir ja bereits gesehen: es ging weiter. Der „normale“ Römer aß zumeist drei Mahlzeiten pro Tag, also alles ganz normal (aus unserer Sicht). Das Frühstück hieß „ientaculum“, die Hauptmahlzeit „cena“ (Sie erinnern sich?) und die Abendmahlzeit „vesperna“ (ja, richtig, das Wort kennen wir noch heute, zumindest in Süddeutschland).
In nahezu allen Schichten der römischen Bevölkerung gab es ein Grundnahrungsmittel: „puls“. „Puls“ bestand aus Emmer, bei den Römern „far“ genannt. Es ist eine frühe Weizenart und hieraus wurde ein dicker Getreidebrei hergestellt indem man das Getreide röstete und dann zerstieß und mit Wasser und/oder Milch aufkochte. Sollten Sie Brotfan sein, dann sollten Sie sich noch gedulden, denn Brot gab es bei den Römern erst später, das dauert noch.
„Puls“ wurde dann mit allem möglichen Gemüse gemischt und fertig war die Mahlzeit. Getrunken wurde dazu hauptsächlich Wasser, nur manchmal auch Wein, denn der war teuer.
Die Welt der Gewürze und neue Sitten
Geändert haben sich diese Essgewohnheiten zumindest in der Mittelschicht der römischen Bevölkerung erst allmählich, als das Imperium größer wurde, mehr Einflüsse von außen kamen und man langsam aber sicher begann ein wenig Luxus zu schnuppern. Zu der Zeit begann man auch mit zahlreichen Gewürzen zu arbeiten. Der berühmte Komödiendichter Plautus (254 v. Chr. -184 v. Chr.) konnte an dieser Mode natürlich kein gutes Haar (bzw. Gewürz) lassen und machte sich in seiner Komödie „Pseudolus“[10] ausgiebig darüber lustig indem er einen Koch sagen lässt:
„Ich würze meine Speisen nicht wie jenes Volk,
Das ganze Wiesen auf den Platten herserviert,
Als gält es Rindvieh zu bewirten, Kraut nur gibt
Und dieses Kraut dazu noch mengt mit anderem Kraut,
Das Koriander, Fenchel, Knoblauch, schwarzen Kohl,
Sauerampfer, Mangold und Spinat zusammenwirft
Und mit einem ganzen Pfunde Silphion zergehen lässt.
Darunter reiben sie den gottverdammten Senf,
der, eh er noch ausgerieben ist, den Reibenden
Die Tränen auspresst. Mögen diese für sich selbst
Das Mahl bereiten. Wenn sie würzen, würzen sie
Statt mit Gewürz mit Hexenkraut, das dem, der’s isst,
Bei noch lebendigem Leibe das Gedärm zerfrisst.
Drum dauert auch der Menschen Leben nur so kurz,
Wenn mit dergleichen Krautwerk sie den Bauch sich füllen,
Furchtbar schon auszusprechen, nicht zu essen bloß:
Was selbst das Vieh nicht fressen mag, das isst der Mensch.“[11]
Also ich weiß ja nicht, aber für mich hört sich das gar nicht nach so schlechtem Essen an, aber Geschmäcker sind bekanntlich verschieden.
In eine ähnliche Richtung zielt auch die Kritik Senecas, eines römischen Moralapostels (zumindest manchmal), der schreibt:
„Man findet es zu anstrengend, die Speisen jede für sich zu essen, sondern man misch, was verschieden schmeckt, gewaltsam durcheinander: die Tafel verrichtet den Dienst des Magens; ich warte nur darauf, dass auch Vorgekautes vorgesetzt wird.“[12]
Auch Horaz (65 v. Chr. – 8 v. Chr.) fand die neuen Sitten des Essens wohl wenig erstrebenswert, das zumindest kann man dieser Aussage entnehmen:
„Soll der, den Fortuna begünstigt hat, getrost die Reben von Cales mit der Sichel schneiden, der reiche Kaufmann ruhig Wein aus goldenen Pokalen leeren, den er gegen seine Waren aus Syrien eingetauscht hat: Mir genügen Oliven, Endivien und leicht verdauliche Malven.“[13]
Merken Sie etwas? – Wenn es ein „Zu-Viel“ an etwas gibt, dann sehnen sich viele nach der Einfachheit und den guten alten Zeiten, auch da waren die Römer nicht anders als wir. Als der Luxus immer mehr wurde, da begannen sie sich nach den Sitten der Alten zu sehnen und sich auf einfaches Essen zu besinnen, zumindest manche von ihnen, die notorischen Nörgler, die Satiriker und die Neider, so dachten sicher die Reichen, die mit dem Speiseluxus auch gleich ihre Wohlhabenheit darstellen wollten.
Das „mos maiorum“ oder „früher war alles besser“
Ein weiterer diese „Nörgler“ war Valerius Maximus (1. Hälfte 1. Jh. n. Chr.). Er lebte zur Zeit des Kaisers Tiberius und schrieb:
„Auch die Einfachheit der Vorfahren beim Essen war der klarste Beweis sowohl für ihre Bildung als auch für ihr Maßhaltenkönnen: denn die bedeutendsten Männer scheuten sich nicht, in aller Öffentlichkeit zu frühstücken und zu Mittag zu essen. Auch kannten sie überhaupt keine Gerichte, deretwegen sie sich vor dem Volk schämen mussten. Sie waren so sehr auf Maßhalten bedacht, dass sie häufiger Brei als Brot verzehrten.“[14]
Früher war eben alles besser (auch wie immer), auch das Benehmen:
„Wenn sie zum Essen geladen waren, erkundigten sie sich genau, wer bei dem Mahl noch zugegen sein werde, um sich nicht vor der Ankunft Älterer am Tisch niederzulassen; und wenn die Tafel aufgehoben war, ließen sie diese zuerst aufstehen und fortgehen. Daraus kann man klar entnehmen, wie bescheiden und wie wenig sie in Gegenwart von Älteren auch beim Essen zu reden pflegten. Bei den Gastmahlen sangen die Älteren, von Flötenmusik begleitet, die in Verse gegossenen Heldentaten der Vergangenheit, um der Jugend einen größeren Anreiz zu geben, diesen nachzueifern.“[15]
Die Römer waren besonders groß in diesem Topos des „früher war alles besser“. Das „mos maiorum“ war die Basis der Gesellschaft; diese „Sitten der Vorfahren“ galten als Fixstern nach dem man sich richten sollte oder besser noch: musste! Naja, nicht jeder sah das so, aber es gab (zum Glück?) immer genügend Männer die daran erinnerten, Cato zum Beispiel, aber auch Ovid, der zur Erklärung für die Ernährung an den Kalenden schrieb:
„Fragst du, warum an den Kalenden fettes Schweinefleisch gegessen wird und warum Bohnen mit warmem Spelt gemischt sind? Carna ist eine Göttin der alten Zeit und nährt sich von Speisen der alten Zeit, und sie verlangt nicht verschwenderisch nach einem Mahl, das man herholt. Für dieses Volk schwamm der Fisch noch unbehelligt im Wasser, und die Austern waren in ihren Muscheln sicher. Latium kannte weder den Vogel, den das reiche Ionien schickt, noch den, der sich vom Blute der Pygmäen nährt. Am Pfau gefiel nichts als die Federn, und kein Land hatte vorher gefangene wilde Tiere nach Rom geschickt. Man schätzte das Schwein und schlachtete ein Schwein zum Fest, die Erde gab nur Bohnen und harten Spelt. Wer beides mischt und zu gleicher Zeit an den sechsten Kalenden[16] isst, dem können, glaubt man, die Eingeweide keinen Schaden nehmen.“[17]
Der mediterrane Lebensstil hält Einzug
Was sich mit den Jahren, Jahrzehnten und Jahrhunderten, die so ins Land bzw. in die römische Geschichte zogen, noch änderte, das war die Reihenfolge der Mahlzeiten, denn die Hauptmahlzeit, die „cena“ wurde langsam aber sicher auf die Abend- bzw. späten Nachmittagsstunden verschoben (das hatten wir im ersten Teil ja schon gesehen).
Dafür gab es jetzt mittags das „prandium“, sozusagen ein zweites Frühstück (im Italienischen heißt das heute „pranzo“). Gegessen wurde oftmals kaltes Fleisch und ein wenig Obst; zu trinken gab es Wein (wenn man ihn sich leisten konnte). Dabei waren die Römer echte Fast-Food Fans, denn diese Mahlzeit nahmen sie meist im Stehen ein, irgendwie so nebenher (wie sehr sie uns doch manchmal gleichen diese Römer).
Die besten und detailliertesten Aussagen über römisches Essen aber finden wir in einem der wohl bekanntesten Kochbücher der Weltgeschichte: Apicius (um 25 v. Chr. -vor 42) „Über die Kochkunst“ (De re coquinaria).
Sie hatten den Namen schon die ganze Zeit im Kopf und haben sich gefragt warum ich nicht gleich damit angefangen habe? – Nun: manchmal muss man ein Pferd (oder in diesem Fall eine Geschichte) auch einfach mal von hinten aufzäumen, weil man dann Dinge erfährt, die man gar nicht im Kopf hatte und die nicht nur vielleicht, sondern ganz bestimmt, auch recht interessant sind.
Aber keine Sorge, wir kommen nun zu eben jenem berühmten Kochbuch.
Der erste Kochbuch-Bestseller der Weltgeschichte: Apicius
Hier finden sich nämlich auch die schon in der Überschrift erwähnten Haselmäuse, ebenso wie Flamingo und Papagei und weitere Leckereien.
Mit vollen Namen hieß dieser Gourmet übrigens Marcus Gavius Apicius und auch er lebte zu Zeiten des Kaisers Tiberius (42 v. Chr. – 37 n. Chr.). Plinius der Ältere (23/24-79) ließ nicht wirklich ein gutes Haar an diesem Schmecklecker, sondern nannte ihn einen „von Geburt an auf jede Prasserei ausgerichteten Geist“[18] (aber immerhin einen mit Geschmack, möchte man ergänzen).
Unser Vorzeige-Prasser nahm allerdings ein tragisches Ende von dem uns Seneca (ca. 1 – 65) berichtet: er hat’s wohl mit der Prasserei ein wenig übertrieben, denn irgendwie haben seine Küche, seine Köche und die ganzen Festmähler ein bisschen zu viel Geld gekostet und der Herr war kurz vor der Pleite (Betonung: kurz davor!). Das hat ihm einen solchen Schock versetzt und er konnte sich so wenig vorstellen fortan ohne all diesen Luxus und die Leckereien leben zu müssen, dass er sich stattdessen lieber das Leben nahm. Irgendwie hat ihn also doch das Essen umgebracht, wenn auch anders als zu erwarten gewesen wäre.[19]
Wie auch immer sein Kochbuch jedenfalls nahm er nicht mit in die Ewigkeit, es wurde eher für dieselbe bewahrt. Allerdings ist es fraglich, ob es überhaupt wirklich von diesem luxusverwöhnten Gourmet stammt, aber eigentlich tut dies auch nichts zur Sache, denn wichtig ist für uns nur, dass es da ist und das wir daraus sehr viel über die römische Küche und die römischen Lebensmittel erfahren.
Das wirklich spannende an diesem Kochbuch ist seine Vielfältigkeit: nicht nur, dass hier die zu erwartenden exotischen Gerichte wie Flamingo, Papagei und Meerbarbe auftauchen, nein auch die gut bürgerliche Küche kommt vor und wird beschrieben. Es gibt insgesamt 10 Kapitel:
1. Kapitel: „umsichtiger Koch“ – Ratschläge für Konservierung und Rezepte für Würzweine
2. Kapitel: „Fleischhauer“ – Hackfleischgerichte und Würste
3. Kapitel: „Gärtner“ – Gemüse jeder Art
4. Kapitel: „Allerlei“ – Aufläufe, Omelettes, Vorspeisen etc.
5. Kapitel: „Hülsenfrüchte“ – Erbsen, Linsen und Co. in Suppen, püriert usw.
6. Kapitel: „Geflügel“ – Hühner, Gänse, Kraniche, Drosseln, Fasane, Pfauen etc.
7. Kapitel: „der luxuriöse Genießer“ – Jungsau-Gebärmutter, Schnecken, Trüffel, Süßspeisen usw.
8. Kapitel: „Vierfüßer“ – Wild, Schaf, Lamm, Rind, Ziege, Haselmäuse, etc.
9. Kapitel: „das Meer“ – Fisch und Meeresfrüchte
10. Kapitel: „der Fischer“ – Langusten, Muscheln, Makrelen, Seeigel und ähnliches.
Also ich hab jetzt schon Hunger bekommen, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht.
Man muss übrigens schon ein bisschen was vom Kochen verstehen oder zumindest recht mutig sein, wenn man anfängt nach den Rezepten des Apicius zu kochen, denn es gibt weder Zeit- noch Mengenangaben. Das scheint allerdings für die Kochbücher der Antike (und auch noch spätere Zeiten) normal zu sein. Kochen ist eben doch eine Sache des Gefühls und des Bauchs und nicht des Chronometers und der Waage.
Eine Zutat kommt übrigens auch im Kochbuch des Apicius immer wieder vor, sie ist wohl die Zutat überhaupt ohne die die römische Küche und das römische Essen nicht existieren konnte und dann irgendwie auch nicht es selber ist: das „garum“.
Garum, garum, garum – das Würzwunder der alten Römer
„Garum“ ist letztlich eine Würzessenz, sowas wie die Soja- oder die Fischsauce der Antike und Fischsauce trifft es auch. „Garum“ kommt aus dem Griechischen und leitet sich von „garos“ ab, was nichts anderes ist als der Name eines Fisches. Ja und die Römer haben mal wieder genial geklaut oder auch assimiliert, wie man es sehen will und haben sich diese eigentlich griechische Würzung zu eigen gemacht und ihr dann den Namen „liquamen“ verpasst (so nennt Apicius sie).
Dabei war „garum“ lange nicht „garum“, denn es gab die auf Wasser basierende Version (hydrogarum), die auf Wein basierende (oenogarum), die auf Essig basierende (oxygarum) und eine mit Pfeffer und Kräutern (garum piperatum). Mit der Zeit blieb es nicht bei diesen paar Sorten, man entwickelte immer neue Varianten. So wie es heute mit den Grillsaucen ist.
Die Herstellung von „garum“ machte übrigens überhaupt gar keinen Spaß: nicht nur, dass sie ausgesprochen zeitaufwendig war, es stank auch wie … (man mag es sich nicht vorstellen). Klar, dass das keiner selber machen wollte und so entwickelte sich denn die erste echte Lebensmittelindustrie und die stellte eben „garum“ für alle her in allen erdenklichen Varianten. Sozusagen Knorr, Werderer oder Develey auf römisch. [Das soll bitte nicht als Werbung verstanden werden!]
Warum das Ganze so unangenehm duftete wird klar, wenn man sich die Herstellung als solche anschaut: man nehme diverse (vorzugsweise kleinere) Fische und Fischinnereien, werfe sie in einen großen Topf und gebe erst einmal Salz hinzu und dann noch ein paar Kräuter nach Wahl. Das Ganze setzt einen ganz tollen chemischen Prozess in Gang, der noch besser wird, wenn auch noch die pralle Sonne darauf scheint (mmmh lecker, riechen Sie es schon?). Das Ganze rühre man dann mehrfach um (viel Vergnügen! Das ist fast wie Dschungelcamp) und warte zwei bis drei Monate. Dann gehe man hin und filtere die entstandene und garantiert undefinierbare Masse und was dann an Flüssigkeit rauskommt, das ist „garum“ oder „liquarum“. Die spinnen eben doch die Römer (naja, die Griechen scheinbar auch). Obwohl …
Wie wichtig diese Köstlichkeit war sehen sie daran, dass Apicius sie insgesamt 468 in seinem Kochbuch aufführt. Besonders köstlich finde ich ja die Kombination von „garum“ mit Honig (so langsam werd ich grün um die Nase).
Übrigens: Wenn Sie unbedingt einmal diese Gerichte originalgetreu nachkochen möchten, dann brauchen Sie nicht selber „garum“ machen. Es geht einfacher, denn „garum“ gibt es noch heute, zumindest in Asien: man findet es in gut sortierten Asia-Läden unter dem Namen „Nuoc-Mâm“ und es wird exakt genauso hergestellt wie „garum“. Ich hoffe übrigens, dass Sie das wussten und nicht schon einmal so diese Sauce zu sich genommen haben und Ihnen nun übel wird.
Die ultimative römische Einkaufsliste à la Apicius
Apicius gibt uns übrigens auch eine Liste all der Dinge mit auf den Weg, die unbedingt in der Küche vorhanden sein müssen (gehen Sie also schon mal los und schauen Sie nach):
Gewürze: Safran, Pfeffer, Ingwer, Laser, Loorbeer-Blätter, Myrtenbeeren, Kostwurz, Gewürznelke, Nardenspitzen (niemand weiß, was das ist), Addena (das gleiche, leider), Kardamom
Samen: Mohn, Rautensamen, Rautenbeere, Lorbeeren, Dillsamen, Selleriesamen, Fenchelsamen, Liebstöckelsamen, Raukesamen, Koriandersamen, Kümmel, Anis, Petersilie, Wiesenkümmel, Sesam
Getrocknetes: Laserwurzel, Minze, Katzenminze, Salbei, Zypressenholz, Oregano, Wacholderbeeren, Enzianwurzel, Thymianbeeren, Koriander, Bertram, Zitronenblätter, Pastinake, Schalotte, Binsenwurzeln, Dill, Poleiminze, Zyperngras, Knoblauch, Hülsenfrüchte, Majoran, Alant, Silphium, Kardamom
Flüssiges: Honig, Defritum, Caroenum, Pfeffersauce, Passum
Nüsse: große Nüsse, Pinienkerne, Mandeln, Haselnüsse
getrocknetes Obst: Damaszenerpflaumen, Datteln, Rosinen, Granatapfel
Und: haben Sie alles da? Nein? Dann los, gehen Sie einkaufen. Ich wünsche viel Erfolg!
Irgendwie gewinnt man bei all dem den Eindruck, dass die römische Küche mindestens 200-mal so viele Zutaten und Bestandteile kannte wie unsere heutige. Aber das ist nur zum Teil richtig, denn die meisten Schilderungen, die wir bis hierher gelesen haben beziehen sich auf die Küche der absoluten oberen Zehntausend (oder doch eher nur Tausend) und wenn wir ehrlich sind, dann würde sich der Speiseplan dieser Schicht heute wahrscheinlich für uns „Normalbürger“ genauso seltsam anhören. Also schauen wir uns mal das eher „normale“ Speisenangebot an. Welche Lebensmittel wurden hauptsächlich genutzt, welche Tiere als Haustiere gehalten und geschlachtet?
Römischer Speiseplan: Fleisch im antiken Rom
Fleisch spielte ursprünglich in Rom eine eher untergeordnete Rolle. Die meisten Menschen waren Bauern und Tiere waren teuer und kostbar, die schlachtete man nicht einfach so, nur weil man Lust darauf hatte. Erst um 200 v. Chr. änderte sich diese Gewohnheit: der Fleischkonsum stieg an.
Dabei spielte das Schwein die wichtigste Rolle, es war der wichtigste Fleischlieferant überhaupt, da waren uns die Römer schon wieder gar nicht so unähnlich. Weitere Tiere, die man als Fleischlieferanten züchtete waren Rinder, Schafe und Ziegen.
Allerdings aßen die Römer nicht unbedingt die Teile des Schweins, die wir heute essen. Sie waren da durchaus konsequenter in der Nutzung der Tiere und vor allem hatten sie Vorlieben, die uns heute eher zu zartem Grün um die Nase verhelfen: Besonders beliebt waren nämlich Saueuter und Jungsau-Gebärmutter. (Ich wünsche guten Appetit!). Mit der anderen Vorliebe der Römer kann ich mich da schon deutlich eher anfreunden: Leber (Yummy!)
Das Rind war übrigens in Rom bis etwa 200 v. Chr. eine heilige Kuh, sprich Rinder durften nicht geschlachtet werden, nicht mal als Opfertiere. Wer ein Rind tötete, der durfte sich gleich danebenlegen, denn er wurde hingerichtet.
Und in Sachen Effizienz standen uns die Römer übrigens in (fast) nichts nach, denn auch sie unterhielten große Zuchtanlagen, insbesondere für Schweine, aber auch für Rinder, Ziegen und Schafe. Nur waren die wahrscheinlich wenigstens noch Bio, denn Unmengen von Medikamenten stopften die Römer garantiert nicht in diese Tiere hinein. Vielleicht wäre es eine Idee mal bei römischen Schriftstellern wie Columella nachzusehen, wie denn die Römer solche Großzuchtanlagen betrieben. Nur so eine Idee.
Dabei war der Genuss von Fleisch aber zu allen Zeiten eher negativ konnotiert und galt Vielen gar als barbarische Ernährungsweise. Wenn man das berücksichtigt, dann wundert es nicht, dass extremer Fleischgenuss vor allem den römischen Kaisern nachgesagt wurde, die eben keine echten Römer waren. Ein solcher Fall ist Maximinus Thrax, der erste Soldatenkaiser und wenn man seinem Beinamen trauen darf, dann wohl ein Thraker (Thrakien gehört heute zu Bulgarien, Griechenland und der Türkei). Sein Vater soll Gote gewesen sein und seine Mutter Alanin, schreibt zumindest sein Biograph Julius Capitolinus, der ihn übrigens eh verachtenswert fand und ihm auch nachsagte er habe bis zu einer Amphore Wein täglich getrunken! Das wären dann ca. 20 Liter! Was für ein Fassungsvermögen. Zu den 20 Litern Wein soll er dann noch vierzig Pfund Fleisch verzehrt haben oder vielleicht auch mehr und natürlich hat er nie, niemals Gemüse gegessen. Ok, wenn man sich die Abbildungen des Herrn anschaut, dann stellt man fest: zierlich war er nicht, aber diese Mengen sind dann wohl doch eher ziemlich bösartige Propaganda. Ähnlich wie beim Gegenkaiser Firmus, über den zu lesen ist, dass er täglich einen ganzen Strauß verspeist habe. Wobei Straußenfleisch in der Tat ausgesprochen lecker ist, aber ein ganzer, das dürfte dann wohl doch etwas viel werden.
Römischer Speiseplan: Alles Käse in Rom
Viele andere Möglichkeiten als Käse aus der Milch der Kühe, Ziegen und Schafe zu machen hatten die Römer nicht, denn Herr Pasteur (1822-1895) war noch nicht geboren und William Cullen (1710-1790), Alexander Twinning (1801-1884) und Ferdinand Carré (1824-1900) auch noch nicht, also wurde das auch noch nichts mit dem Kühlschrank, blieb also nur eine andere Art der Haltbarmachung über: Käse!
Käsesorten kannten schon die alten Römer offenbar eine Menge. Da gab es einen Käse, der scheinbar wie Ricotta war, dann einen geräucherten, einen gegrillten, einen dickmilchartigen mit Pfeffer und Koriander und viele mehr. Besonders viele Käse findet man bei Columella († um 70 n. Chr.), aber auch Plinius und Martial (40-103/4) erwähnen sie gerne.
Ach ja und noch eins: Viele Sprachen verdanken ihr Wort für Käse der Tatsache, dass die Römer den ihren in Form brachten. Warum? Nun, aufgrund der Formgebung nannten die Römer ihren Käse „formaticus“ und daraus wurde im Italienischen dann „formaggio“ und im Französischen „fromage“.
Da haben Sie ihn also den Käse.
Römischer Speiseplan: Geflügeltes Rom
Ganz klar waren Enten, Gänse und Tauben so ziemlich die ersten Tiere, die auf den bäuerlichen Anwesen auf dem Stiefel gehalten wurden. Hühner hingegen nicht. Diese für uns nicht mehr wegzudenkenden Flugtiere kommen ursprünglich aus Indien und brauchten eine Weile bis sie im alten Rom ankamen.
Die Wichtigen und Reichen aßen auch gerne Perlhühner, Pfauen, Fasane, Strauß (übrigens sehr zu empfehlen), aber eben auch Papageien, Drosseln, Schwäne, Kraniche und Flamingos.
Die Geflügelzucht war dabei ein einträgliches Geschäft und wurde in großem Stil betrieben.
römischer Herd im Archäologischen Park Xanten römische Küche im Archäologischen Park Xanten
Römischer Speiseplan: Wildes Rom
Das beliebteste Wildtier war wohl der Hase, „lepus“ genannt. Kaninchen kamen erst später, denn sie waren in Spanien daheim und das war denn doch ein recht weiter Weg. Gejagt und gegessen wurden aber auch Hirsche, Rehe, Wildschweine, wilde Ziegen und Bären. Selbst Antilopen aus Afrika fanden irgendwie den Weg auf römische Tische.
Dabei fanden die Römer es natürlich auch hier zu lästig diese köstlichen Tierchen erst aufspüren, jagen und dann töten zu müssen und deshalb legten sie große Wildgehege an. Das vereinfachte die Sache doch ungemein.
Nicht vergessen darf man hier übrigens auch die bereits im Titel angeführte „Haselmaus“, die wir heute wohl eher unter dem Namen „Siebenschläfer“ kennen. Sie war eine der Delikatessen auf römischen Speisezetteln, vor allem angemacht mit Honig und Mohn war sie ausgesprochen beliebt.
Römischer Speiseplan: Fische in Rom
Im Gegensatz zu den Etruskern hatten es die Römer ursprünglich nicht so mit dem nassen Element und damit auch nicht mit den Fischen, das änderte sich erst allmählich. Und weil die Römer ja immer alles perfektionieren mussten, perfektionierten sie natürlich auch den Fischfang und nicht zuletzt die Fischzucht, so dass am Ende Fisch zu einem absoluten Grundnahrungsmittel mutierte. Zumindest manche Fische. Es gab regelrechte Fischfabriken vor allem im Süden Portugals, in Andalusien, in Mauretanien, in Südfrankreich, aber auch in Tunesien und natürlich in Italien (das damals natürlich noch nicht so hieß). Ohne diese Fischfabriken wäre auch die massenhafte Verbreitung von „garum“ (Sie erinnern sich) gar nicht möglich gewesen.
Um den Fisch haltbar zu machen wurde er, ähnlich wie noch heute vielerorten, schlicht gesalzen. Auch die Trocknung war als Konservierungsart bekannt und beliebt.
Bemerkenswert ist übrigens, welche Fische als besonders wertvoll galten und für welche Fische besonders hohe Summen bezahlt wurden, das sind nämlich nicht die Fische, die wir heute erwarten würden. Einer der teuersten Fische war (zumindest zwischenzeitlich) die Meerbarbe. Aber jede Mode hat ja bekanntlich irgendwann ein Ende und an dem ihren wurde die Meerbarbe zu einem plebejischen Fisch. (Hartes Schicksal).
Am häufigsten gegessen wurden in Rom Brassen, aber auch Seewolf, Lippfisch, Meeräsche, Streifenbarbe, Seeteufel, Buttarten, Seezunge und Muräne! (heute kaum mehr vorstellbar).
Römischer Speiseplan: Die Früchte des Meeres in Rom
Wahrscheinlich ahnten Sie es schon: wer sich dem Wasser zuwendet, vor allem dem Meer, dem entgehen auch die Meeresfrüchte nicht. So war es auch bei den Römern; sie kannten und sie liebten sie, als sie sie erst einmal kannten.
Vor allem Austern standen hoch im Kurs, aber auch Miesmuscheln, verschiedene Seeschnecken, Venusmuscheln, Herzmuscheln, Kammmuscheln, Seeigel, Hummer, Krabben, Kalmare, Krebse und quasi alles was so im Wasser kreucht und fleucht.
Tja, und weil insbesondere die Austern so ein beliebtes Gut und ein so einträgliches Geschäft waren hat man natürlich auch die gezüchtet. Ein gewisser Gaius Sergius Orata war wohl einer der ersten, wenn nicht der erste Austernzüchter der Weltgeschichte.
Was so ein Gourmet-Römer so alles für eine gute Auster auf sich nahm, das schildert uns der Grieche Athenaios in einer vielleicht nicht ganz wahren Geschichte über unsern Helden Apicius:
„Zur Zeit des Kaisers Tiberius gab es einen reichen Feinschmecker namens Apicius, nach dem verschiedene Arten von Kuchen Apicius-Gebäck heißen. Viele Tausende hatte er für seinen Bauch ausgegeben. Er lebte in Minturnae in Kampanien und aß hauptsächlich teure Austern, die dort größer werden als die größten in Smyrna und die Muscheln von Alexandria. Als im zu Ohren kam, auch in Libyen würden die Austern ungewöhnlich groß, da reiste er dorthin, ohne sich auch nur einen Tag zu besinnen. Geduldig trug er die mannigfachen Strapazen der Seereise. Die Nachricht von seinem Besuch verbreitete sich bei den Libyern schnell. Kaum näherte sich sein Schiff der Küste, als Fischer herbeigerudert kamen und ihm die schönsten Austern brachten, noch ehe er an Land gehen konnte. Apicius warf einen Blick auf die Austern und fragte: ‚Habt ihr keine größeren?‘ – ‚Größere, als wir hier bringen‘, war die Antwort, ‚gibt es nicht‘. Da dachte Apicius an die Austern von Minturnae, und sogleich befahl er seinem Steuermann, direkten Kurs auf Italien zu nehmen, ohne einen Fuß ans Ufer zu setzen.“[20] –
Ja, ja, diese Feinschmecker, irgendwie verrückt und das zu allen Zeiten.
Römischer Speiseplan: Vegetarisches Rom
Als ursprünglich bäuerliche Gesellschaft hatten die Römer natürlich auch eine Menge pflanzliche Kost auf dem Speiseplan stehen. Der gute alte Getreidebrei – „puls“ – ist uns ja schon auf den Teller gekommen. Später dann gab es verschiedene Brotsorten von Fladenbrot bis hin zu einer Art von Weißbrot.
Auch Graupen und Hirse und alles, was man daraus so produzieren kann, standen recht hoch im Kurs.
In Sachen Vorspeisen stand Gemüse hoch im Kurs, Rettich zum Beispiel und Hülsenfrüchte. Auch Kohl, Rüben, Endivien, Sauerampfer, Rauke, Gurken, Mangold, Kresse, Porree, Sellerie, Brennnesseln, Kürbis, Knoblauch, Zwiebeln, Rettiche, Pilze und bereits Trüffel fanden den Weg in römische Mägen.
Überhaupt galten das Essen von Gemüse und eine fleischfreie Ernährung in Rom als Ausdruck von Moral und Charakterqualität. In der Historia Augusta etwa wird die Behauptung Kaiser Julian (133/37-193) habe viel Fleisch gegessen eindeutig zur Verunglimpfung seiner Person herangezogen: „Und schon ging von den neuen Widersachern Iulians das Gerücht aus, dieser habe gleich am ersten Tag Pertinax‘ [seines Vorgängers] Hausmannskost verschmäht und ein Schlemmermahl ausgerichtet, bei dem er Austern, Geflügel und Fische auftragen ließ. Daß dies erlogen war, steht fest; Iulian soll nämlich so haushälterisch gewesen sein, daß er ein ihm gelegentlich in die Küche geschicktes Ferkel oder einen Hasen auf drei Tage streckte; auch soll er sich häufig bei der Hauptmahlzeit mit Gemüsen und Hülsenfrüchten begnügt und auf Fleisch verzichtet haben, ohne daß ein ritueller Zwang bestand.“[21]
Auch andere römische Kaiser wurden nach ihrer Nahrung charakterlich beurteilt: Gordian II. (um 192-238) etwa, dem man nachsagte, dass er seiner Nahrung nicht allzu viel Beachtung schenkte, er war, wenn wir den Quellen Glauben schenken, ein großer Freund von Obst und Gemüse. Ja und auch Septimius Severus (146-211) war anspruchslos und genügsam und hatte es vor allem auf heimische Hülsenfrüchte abgesehen, wobei er auch dem Wein mitunter tüchtig zusprach, aber der ist ja letztlich auch nichts anderes als fermentierter Obstsalat.
Schon in Rom grassierte also offenbar die Vorstellung, die auch heute wieder um sich greift und gerne missionierend weitergetragen wird: Iss Gemüse und du wirst Philosoph werden, iss Fleisch und du wirst untergehen. Das dürfte der Grund dafür sein, warum es in der Antike nur so von vegetarischen und sogar veganen Philosophen wimmelt.
Ein Freund von Hülsenfrüchten war auch Horaz, so zumindest können wir der Satire 1.6 entnehmen, in der er schrieb: „Dann kehre ich nach Hause zurück, zur Schüssel mit Lauch und Kichererbsen und lagana. […] auf weißem Stein stehen zwei Becher und eine Schöpfkelle, daneben ein ärmliches Mischgefäß, dazu eine Ölflasche samt der Schale, alles kampanisches Geschirr.„[22]
Ob wir ihm das so glauben sollen? Wir lassen es einfach mal stehen.
Obwohl, in einer anderen Satire lässt Horaz seinen Sklaven Davus folgende Worte sprechen: „Wenn niemand Dich zum Abendessen einlud, lobst Du sorgenfreies Gemüse (securum holus) […] und preist Dich glücklich, dass Du mit niemandem zechen musst. Wenn aber Maecenas spät in der Dämmerung eine Einladung zum Gastmahl sendet, schreist Du: ‹Bringt mir keiner Lampenöl schneller? Hört denn niemand?› Und mit großem Lärmen läufst Du davon.“[23] tja, so können sie sein, diese Dichter, sie predigen Wasser und selber trinken sie den teuren Wein des Maecenas.
Römischer Speiseplan: Fruchtiges Rom
Sie waren echte Süßmäuler, die Römer und als solche fanden sie natürlich Obst jedweder Couleur ausgesprochen spannend. Vor allem Beeren wurden reichlich verzehrt, ebenso wie Äpfel, Birnen und Pflaumen. Die Quitte wurde schon früh kultiviert, später dann die Süßkirsche. Datteln und Zitrusfrüchte fanden in römischer Zeit sogar bereits ihren Weg bis an den Niederrhein nach Xanten, in die Colonia Ulpia Traiana.
Das erste nachchristliche Jahrhundert bescherte den Römern dann Aprikosen und Pfirsiche. Granatäpfel waren eine Kostbarkeit. Der absolute Bestseller aber waren Feigen. Im Grunde waren sie ein Grundnahrungsmittel.
Diese Liebe zum Obst wurde von einigen so weit getrieben, dass sie auch schon in eine gewisse Immoralität und Völlerei gipfelte: Clodius Albinus zum Beispiel, seines Zeichens der Gegenkaiser von Septimius Severus, soll so ein Vertreter gewesen sein (passt ja auch ins Bild, denn er war ja der „Böse“). Er war ein kleines Leckermäulchen und hat, so die Quellen „Obst in solchen Mengen verschlungen, wie sie kein normaler menschlicher Magen verträgt“. Das bedeutet, glaubt man der Historia Augusta, er hat „fünfhundert Sperlingsfeigen (…) nüchtern verspeist und hundert kampanische Pfirsiche, zehn Ostiamelonen, zwanzig Pfund Labikanertrauben, hundert Feigendrosseln und vierhundert Austern.“[24]
Kaiser Gallienus (um 218-268) trieb den Obstfanatismus dann offenbar endgültig auf die Spitze, indem er aus Obst „ganze Festungen“ baute „Trauben wußte er drei Jahre lang zu konservieren. Mitten im Winter ließ er Melonen auftragen.“[25] Na denn, wohl bekomm‘s!
Kein Wunder also, dass diese Frugal-Fanatiker sich mit der Zucht und auch der Neuzüchtung von Obst bestens auskannten und riesige Obstgärten anlegten.
Römischer Speiseplan: Süßes Rom
Die Römer waren kleine (oder auch große) Leckermäulchen, die vor allem Süßes liebten. Zuckerrohr allerdings war noch nicht da, das verbarg sich noch in der so ziemlich einzigen Ecke der Welt, die die Römer noch nicht erobert hatten und ob die gute alte deutsche Zuckerrübe schon existierte, da muss ich offen gestanden passen. Aber Süßes gab es trotzdem, denn die Bienchen summten damals auch schon ganz munter durch Italien und sorgten für herrlich frischen Honig.
Plinius der Ältere war offenbar ein ganz besonderes Süßmäulchen und schrieb: „Unter all diesen [Insekten] aber haben die Bienen den Vorzug, und verdienen mit Recht die vorzüglichste Bewunderung, da sie allein um des Menschen Willen geschaffen sind. Sie sammeln den Honig, den süßesten, zartesten und heilsamsten Saft, bilden […] das Wachs, welches zu tausend Dingen nützlich ist, sind arbeitsam, vollenden ihr Werk, haben einen Staat, haben für sich Rat, für das Volk Heerführer, und, was am meisten zu bewundern ist: sie haben eigene Sitten.“[26]
Verständlich, dass bei diesem Hang zu Süßem die Römer schnell darauf kamen Bienen zu züchten. Die Imkerei war ihnen ausgesprochen wichtig und es gab wohl keinen Gutshof ohne eigene Bienenvölker, vor allem weil „sie ein Erzeugnis her[stellen], das, weil es sehr süss ist, sowohl den Göttern als auch den Menschen zusagt; denn die Wabe kommt auf den Altar und als Honig wird es zu den Vorspeisen eines Gastmahls und zum Nachtisch gereicht“ aber auch, weil man mit den Bienen und ihren Erzeugnissen durchaus gutes Geld verdienen konnte: „unser Freund Varro hier [erzählte,] in Spanien hätten zwei Brüder […] unter ihm gedient, die wohlhabend gewesen seien, obwohl ihnen vom Vater nur ein kleiner Hof […] hinterlassen worden sei. Diese hätten um den ganzen Hof Bienenstöcke gebaut [… und] hätten niemals weniger als […] zehntausend Sesterzen aus dem Honig erlöst […].“[27]
So kann man denn das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
Übrigens liebten die Römer vor allem den Honig, den die Bienen an Thymian, Majoran, Bohnenkraut, Pinien, Steineichen, Efeu, Obstbäumen und Linden sammelten. Sogar gefahrlose Wasserzugänge legten sie ihnen mit Reisig und Steinen an. Eine Liebe also, die man sich heute in Zeiten des allgemeinen Bienen- und Insektensterbens auch mal wieder wünschen würde.
Römischer Speiseplan: Fast-Food à la Rom
Ich hatte es ja schon mehrfach erwähnt: Die Römer waren die ersten Fast-Food Weltmeister der Geschichte. Da erstaunt es nicht, dass man in römischen Städten an wirklich jeder Ecke Garküchen vorfand. „Thermopolia“ nannte man sie oder „popinae“: es waren einfache Garküchen, kleine Läden, die zur Straße hin offen waren, eine gemauerte Theke besaßen, in der sich tiefe Löcher befanden und in diesen wiederum waren Kessel in denen sich die Speisen befanden. So konnte jeder, der über die Straße lief die Auslagen sehen und riechen, ob es ihm zusagte, was da so gebrutzelt wurde. Manchmal gab es auch einen Grillrost auf dem für die etwas betuchteren Gäste Fleisch zubereitet wurde.
Manche dieser Garküchen hatten auch noch Hinterzimmer für die Gäste, die konnte man mieten und sich dann bewirten lassen; sozusagen die ersten Restaurants.
Dazu kamen mobile Garküchen, im Grunde nur ein Mensch mit einem Kessel voller Essen. Das war die sicher günstigste Form sich mit Nahrung zu versorgen, wenn auch nicht unbedingt die beste.
„Tabernae“ (ja, auch dieses Wort haben wir übernommen) gab es auch. Nett übersetzt waren es Wirtshäuser, realistischer übersetzt eher Kneipen oder Spelunken. Dazu kamen dann noch reine Lebensmittelstände für Teigwaren, Obst und nahezu alles Erdenkliche.
Gemein hatten alle diese Angebote, dass sie in erster Linie eine bodenständige und deftige Küche anboten. Vor allem Eintopfgerichte waren dabei in Rom sehr beliebt. Und eine weitere Gemeinsamkeit sollte man hervorherben: all diese Angebote richteten sich vor allem an die nicht so betuchten Römer, denn die wirklich Reichen, die speisten zuhause und wie das ausarten konnte habe ich Ihnen ja bereits beschrieben.
Zum Abschluss noch eine kleine Satire des Horaz über ein offenbar absolut epochales Mahl:
„Horaz: Wie ist dir das Soupee des glücklichen
Nasidien bekommen? Denn, als ich
dich gestern bitten lassen wollte, wurde mir
gesagt, du schmausest schon seit Mittag dort.
Fundan: So daß in meinem Leben mir nie besser war.
Horaz: Entdecke mir, wofern dirs nicht beschwerlich ist,
was war der erste Gang?
Fundan: Zu Anfang präsentierte
sich ein Lucanisch Wildschwein, bei gelindem Südwind
gefangen, wie der Herr des Gastmahls uns
belehrte. Ringsherum Radieschen, Rettiche,
Salat, und was den schlaffen Magen sonst
zu reizen fähig ist, Sardellen, Sellerie
und Koische Tunke. Als dies abgetragen war,
erschien ein hochgeschürzter Sklav und wischte
den Tisch von Ahornholz mit einem rauhen Lappen
von Purpur ab. Ein andrer las, was hie und da
unnütz herumlag und den Gästen lästig
sein konnte, auf. Und nun, so feierlich
wie eine attische Korbträgerin
der heil’gen Ceres, trat mit einem Korbe
Cäcubschen Weins der kupferfarbige
Hydaspes [Fußnote], und mit Chier, dem das Meer
was Unbekanntes war, ein andrer auf.
Hier sprach der Hauspatron: Mäcen, wofern du
Falerner oder auch Albaner lieber trinkst,
wir haben beides.
Horaz: O der reichen Armut!
Doch eh du fortfährst, laß mich wissen, lieber
Fundanus, wer die andern Gäste waren,
die diesen Schmaus so angenehm dir machten?
Fundan: Ich saß zu oberst, Viscus neben mir
und, wo mir recht ist, Varius unter ihm;
dann, neben Balatro, Vibidius,
als Schatten, die Mäcenas mitgebracht;
zuletzt der Hausherr zwischen Nomentan
und Porcius, der uns mit seiner Kunst,
auf einmal ganze Fladen einzuschlingen,
belustigte. Der Nomentanus schien
bloß da zu sein, falls etwa dies und jenes
uns unbemerkt entginge, mit dem Zeigefinger
es anzudeuten: denn wir übrigen
wir aßen, was uns vorkam, Vögel, Muscheln,
und Fische, ohne, was wir aßen, am
Geschmacke zu erkennen; wie sich offenbarte,
da Nomentan das leck’re Eingeweid
von einer Scholle und von einem Rhombus
mir auf den Teller legte, Dinge, die ich nie
zuvor gekostet. Bald darauf belehrt‘ er mich,
daß Quitten, in des Mondes erstem Viertel
gelesen, rot sind. Was dies auf sich hat,
wirst du am besten von ihm selbst erfragen.
Jetzt flüsterte Vibid dem Balatro ins Ohr –
»Wir müssen mördrisch trinken, oder sterben ungerochen« –
und fodert größre Becher. Leichenblaß
wird bei dem furchtbarn Wort der arme Wirt,
der nichts so sehr wie scharfe Zecher scheut,
entweder weil sie sich nichts übel nehmen, oder
weil feur’ger Wein dem Gaum das feinere Gefühl
des Schmeckens raubt. Genug, Vibid und Balatro,
und, ihrem Beispiel nach, wir andern lassen
die großen Stutzer uns so fleißig füllen,
daß alle Krüge, die den Schenktisch drücken,
in kurzem auf dem Kopfe stehen. Nur
die Gäste auf dem letzten Sitze taten
den Flaschen ihres Gönners keinen Schaden.
In einer großen Schüssel ausgestreckt
wird zwischen Hummern, die in Brühe schwimmen,
nun eine mächtige Lamprete aufgetragen.
Der Wirt berichtet uns, sie wäre trächtig
gefangen worden, weil sie nach der Zeit
am Fleische schlechter sei. »Die Brüh‘ ist aus
dem besten Venafraner Öl und Spanischer
Makrelenlake, mit fünfjährigem
inländ’schem Wein gekocht, nicht ohne weißen Pfeffer
und Essig von Methymna. Chierwein
wird nicht mit eingekocht; er muß beim Essen
dazu getrunken werden. Diese Soße
mit frischem weißem Senf und Alant zu verbessern,
ist, ohne Ruhm zu melden, meine eigene
Erfindung; der Makrelenlake zieht jedoch
Curtillus ungewaschene Meerigel vor.«
Der edle Gastherr hatte seinen Kommentar
noch kaum vollendet, als der Baldachin,
mit einer dickern Wolke schwarzen Staubs,
als je der Nordwind in Campaniens Feldern
erregen kann, auf einmal in die Schüssel
herunterplumpte. Stelle dir im ersten Schrecken
den Aufruhr vor! Doch wir, sobald wir merkten,
dies sei das Ärgste, brachten uns bald wieder
in Ordnung: nur den Wirt schlug dieser Zufall
so ganz zu Boden, daß er, sein Gesicht
aufs Küssen hingedrückt, wie auf die Leiche
von seinem einz’gen Sohn, zu weinen anfing,
und jetzt vielleicht noch weinte, wenn sein Freund,
der weise Nomentan, ihn nicht in seinem Jammer
mit diesem Trostspruch aufgerichtet hätte:
O unbeständige Fortuna! welcher Gott
spielt grausamer als du uns Armen mit?
Daß du doch immer deine Freude d’ran hast, uns
die unsern zu verkümmern! – Varius konnte
kaum mit dem Tellertuche vor dem Munde
des Lachens sich erwehren. Leider ist
dies das gemeine Los der Menschheit, spricht
mit schelmisch aufgeworfner Nase Balatro:
Ich fürchte selbst, der Ruhm, um dessentwillen
du soviel Aufwand machest, werde dir
die Mühe nie bezahlen. Wie du dich
zerquälen mußt, mich stattlich zu bewirten!
Wie viele Sorgen! Daß das Tafelbrot
nicht allzubraun gebacken, keine Soße
falsch zubereitet sei, die Diener alle
geputzt und zierlich aufgeschürzt ihr Amt
mit Anstand tun! Und nun die Unglücksfälle
noch obendrein! Als, wenn, zum Beispiel, wie
gleich eben jetzt, der Himmel einfällt, oder
ein Stallknecht einen Fehltritt tut und fallend
die Schüssel von Majolika zerbricht!
Indessen ists mit einem Gastherrn wie
Mit einem Feldherrn: das Talent des einen, wie
des andern, wird durchs Glück verdunkelt, und
durch Unglück erst ins wahre Licht gestellt.
O möchten dir die Götter geben, was
dein Herz gelüstet, daß du ein so guter Mann
und nachsichtvoller Tischgenosse bist,
versetzt Nasidien, und fodert seine
Pantoffeln. Sein Verschwinden aus dem Saale gibt
den Gästen Freiheit, sich durch Flüstern in
des Nachbars Ohr ein wenig Luft zu machen.
Horaz: Ich kenne wahrlich kein Spektakel, das
ich lieber hätte sehen mögen! Doch,
ich bitte dich, was gabs noch mehr zu lachen?
Fundan: Vibidius erkundigt sich hierauf
bei den Bedienten, ob der Baldachin
die Flaschen etwa auch zerbrochen habe,
daß er auf sein Begehren nichts zu trinken
bekommen könne? Unterdessen man,
um sich recht auszulachen, allerlei
zum Vorwand nimmt, und Balatro dabei
den andern Spötter treulich unterstützt,
kommt mein Nasidien mit heitrer Stirne wieder
zurück, die zu versprechen schien, durch Kunst
Fortunens Fehler wieder gut zu machen.
In einer tiefen Schüssel von zwei Sklaven
getragen, folgt ihm ein zerstückter Krannich
mit Salz und Semmelkrumen dicht bestreut,
und Lebern weißer Gänse, die mit lauter Feigen
gemästet worden, und von jungen Hasen
die Schultern ohne Rückgrat, als auf diese Weise
weit niedlicher; nicht minder sahen wir
geschmorte Amseln, etwas angebrannt,
und Tauben à la crapaudine kommen,
und kurz, viel Gutes, wenn der Hausherr uns
von jedem die Natur- und Kunstgeschichte
nicht vordozierte; denn so blieb uns doch
sonst keine Rache übrig, als von allem
nicht einen Bissen anzurühren, gleich als ob
Canidia mit ihrem Schlangenatem
das ganze Gastmahl angeblasen hätte.“[28]
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0
So lassen Sie uns speisen – ein Gastmahl in der Colonia Ulpia Traiana
Nachdem wir nun so viel über das römische Essen und über die zum Teil wirklich kuriosen und abstrusen Gastmähler der Römer gehört und gelesen haben, lassen Sie uns einfach einmal eine kleine Zeitreise machen. Lassen Sie uns in das Haus eines Römers gehen, zum Beispiel in der Colonia Ulpia Traiana, die heute Xanten heißt und lassen Sie uns dort ein Gastmahl erleben:
Wir treffen uns mit Freunden und mehr oder weniger wichtigen Menschen dort zur cena und weil wir natürlich, wie es sich für gute Römer gebührt, furchtbar fromme Menschen sind (oder zumindest als solche erscheinen wollen), beginnen wir mit der Anrufung der Götter:
Iuppiter optime maxime, qui cum mundum gubernas tum haec (Colonia
Ulpia Traiana) semper auxisti tuque Iuno regina coniunx sororque Iovis, vos ego
voco
vosque praecipue, quos deos scimus epulis fauere culinisque,
te, Vulcane, voco, cui ignium artes curae sunt,
te, Ceres optima, quae frumenta mortalibus dedisti,
te, Diana, quae e silvis delicias ferinas nobis ministras,
te, Bacche, qui vinis tuis convivia exhilaras curasque diluis,
vos omnes ceterosque deos immortales invoco et obsecro, bonas preces precor,
uti vos huic cenae laeti libentes adsitis,
omne bonum arcessatis, omne malum arceatis.[29]
Die wichtigsten Götter, allen voran der Göttervater Jupiter und seine Gemahlin Juno, haben wir angerufen, außerdem den Gott des Feuers: Vulcanus, damit das Herdfeuer auch nicht ausgeht und wir am Ende nur eine kalte Platte bekommen. Dann haben wir Ceres angerufen, die Göttin des Ackerbaus, denn eine Sättigungsbeilage ist ja immer gut und natürlich die Jagdgöttin Diana, denn der Mensch lebt bekanntlich nicht vom Brot allein. Als letzten Gott haben wir Bacchus angerufen, den Gott des Weins, denn man braucht ja was Ordentliches im Becher, wer will schon ewig Wasser trinken.
Jetzt hoffen wir, dass unser Gebet erhört wurde und die Götter uns gnädig sind und uns ein gutes Abendessen zukommen lassen (natürlich mit Hilfe des Kochs, der gerade in der Küche steht, aber der ist ja kein Gott, sondern nur ein Angestellter oder sogar Sklave und deshalb muss man ihn nicht ins Gebet mit einbeziehen).
Nachdem wir nun also die Pflichten erfüllt haben begeben wir uns langsam Richtung Speiseraum, das triclinium.
Bevor ich es vergesse: Wir tragen dabei ein eher legeres und bequemes Kleidungsstück: die vestis cenatoria.
Wie es sich in Rom gehört (und auch schon in Griechenland gehörte) sitzen wir hier nicht, wir liegen und zwar auf eigens entwickelten Möbelstücken, den Klinen, daher auch der Name unseres Speiseraums. Jetzt fragen Sie sich sicher noch was denn das „tri“ bedeuten soll: Nun es waren grundsätzlich drei Liegen, die in Form eines Hufeisens hier aufgestellt waren, daher das „tri“. In der Mitte steht ein Tisch, die mensa. Auf den Liegen haben übrigens maximal drei Personen Platz, so dass die Anzahl unserer Gäste durchaus beschränkt ist und zwar auf acht bzw. sieben, je nachdem, ob wir zu den ganz traditionellen Römern gehören, bei denen die Frauen nicht mit an der mensa liegen dürfen oder nicht. Wir legen uns, wie es gute Tradition ist, auf die linke Seite, den Körper auf den Ellbogen gestützt. Die Füße liegen außen und die Köpfe werden zusammengesteckt (da flüsterts sich besser). Wenn es noch weitere Gäste gibt, dann haben die ein Problem und müssen ggf. auf Stühlen sitzen, ebenso wie im Regelfall die Dame des Hauses. Das gehört sich so und zeigt wer welchen Rang hat. Ach ja, die Hände und die Füße haben wir uns natürlich vorher gewaschen (hoffe ich zumindest).
Nun servieren uns Sklaven und Diener einen kleinen oder auch größeren Aperitif aus Honigwein, den wir mulsum nennen. Und wir haben Glück, denn unser Koch hat das neue Kochbuch des Apicius bekommen und aus diesem ein Rezept für ein ganz besonderes mulsum zubereitet: das „conditum paradoxum“ – also Wein mit einer gewissen Überraschung. Hier das Rezept:
Fünf Kilo Honig werden in ein ehernes Gefäß gegeben,
in das man zuvor schon einen guten Liter Wein gegossen hat,
so dass man diesen zu einem Honiggebräu einkocht. […]
Hat man ihn auf Sparflamme mit trockenen Hölzern erhitzt,
wobei man ihn, solange er gekocht wird, mit dem Besen umrührt,
dann wird er, sobald er angefangen hat aufzukochen,
mit Tau von Wein abgelöscht,
wobei ein Teil des Überkochenden schon dann in sich zurücksinkt,
wenn man ihm das Feuer entzieht.
Ist er abgekühlt, setzt man ihn wieder unter Flammen.
Dies geschieht ein zweites und ein drittes Mal,
und dann erst nimmt man ihn vom Herd und schäumt ihn ab.
Dann nimmt man 110 Gramm Pfeffer,
dreieinhalb Gramm gemahlenen Mastix [Harz],
viereinhalb Gramm Lorbeerblätter und Safran,
fünf geröstete Dattelkerne und dazu das in Wein eingeweichte Dattelfleisch,
nachdem man zuvor nach rechtem Maß und Zahl so viel Wein angegossen hat,
dass es eine sanfte geriebene Mischung ergibt.
Ist dies alles fertig, gibt man zehn Liter milden Weines darüber.
Zum Wohl!
Dazu gibt es ein paar delikate Vorspeisen, Eier zum Beispiel oder auch andere Delikatessen.
Eine unserer Vorspeisen etwa ist „Iscia Omentata“, eine geschmorte Frikadelle mit Pinienkernen, Anchovis und Ruccola. Die zweite Vorspeise nennt sich „Maron pulmetum“ und ist ein Maronenschaumsüppchen mit Kicherbesenbällchen.
Gegessen werden diese Speisen mit Löffeln und mit den Fingern, Gabeln kennen wir nämlich noch nicht (ist halt nichts perfekt).
Damit wir uns die Kleidung nicht beschmutzen gibt es Servietten, die mappae genannt werden und außerdem gibt es die Gelegenheit sich nach jedem Gang die Hände zu waschen. Mitgebrachte Servietten dürfen übrigens am Ende der Veranstaltung als „doggy bag“ benutzt werden, so denn etwas Leckeres übrigbleibt, das ist dann ein Gastgeschenk. Das gab es schon bei den Griechen, deshalb hat es auch den griechischen Namen „apophoreta“.
Darauf folgen verschiedene Gänge, die fercula genannt werden und die aus Fleischgerichten und auch aus Fischgerichten bestehen.
Unsere heutige mensa prima, also die erste Hauptspeise wird „Saginati Coturnix“ genannt; es sind mit Waldpilzen gefüllte Wachteln, die auf einer Art Puls-Risotto gemeinsam mit gedünstetem Mangold angerichtet sind. Serviert werden sie natürlich, wie es sich gehört, auf einem edlen Tafelgeschirr aus Terra Sigillata. Was das ist?
Terra Sigillata mit Skelett – Archäologischer Park Xanten Terra Sigillata mit Tiermotiven – Saalburg
Essen von feinem Geschirr – Terra Sigillata
Nun, das ist das typisch römische Tafelgeschirr aus Keramik (Porzellan gab’s ja noch nicht). Es ist rot und glänzend und wurde wohl gegen Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts erstmals in italischen Werkstätten entwickelt. Dabei ist der heute gebräuchliche Name eine Schöpfung des 18. Jahrhunderts, wie die Römer selber dieses Geschirr nannten wissen wir leider nicht genau.
Es gibt zwei Arten dieses Geschirrs, einmal mit einer glatten Oberfläche und einmal mit einer verzierten, da wir natürlich zur Oberschicht gehören gönnen wir uns selbstverständlich die verzierte Variante (sieht ja deutlich hübscher aus, nicht so bäurisch). Hergestellt werden zunächst dickwandige Gefäße auf einer schnelldrehenden Töpferscheibe, die dann mit entsprechenden Werkzeugen verziert werden. Dabei sind der Phantasie beinahe keinen Grenzen gesetzt. Die so entstandenen Behältnisse werden nun gebrannt und dienen dann quasi als Form für neue Gefäße. Clever oder? So hat man nur einmal die Arbeit mit dem Verzieren und Formen.
Wenn die Gefäße eine gewisse Festigkeit erreicht hatten, dann erhielten sie durch Eintauchen einen Überzug aus Glanzton. Die Farbe konnte variieren zwischen dunkelrot und orangerot. Dann brannte man die Gefäße insgesamt fünf Tage lang bei etwa 950°C.
Die üppigen Verzierungen auf der Terra Sigillata und die Geschichten, die darauf zu sehen sind, haben übrigens nicht nur rein dekorativen Charakter, sie sind auch ein wunderbarer Gesprächsstoff, wenn einem sonst nichts mehr einfällt und der Liegennachbar ein Langweiler sein sollte.
Den Abschluss der cena bildet die mensa secunda – quasi das Dessert, bestehend aus herrlichen dulcia, also Süßspeisen.
Wir gönnen uns heute „Butyrum et mel“ – eine Honigcreme mit gerösteten Nüssen und karamellisierten Feigen – Hüftgold par excellence!
Nun sollten wir recht gut gesättigt sein und wir erheben uns, damit die Hausgötter – die Laren – ein Opfer und damit ihren Anteil am Abendessen von uns erhalten können (sie sollen ja auch nicht leben wie die Hunde und sollen es schön haben, damit sie uns weiter gut beschützen).
Wenn wir diesen weiteren Pflichtteil des Abends beendet haben, dann kommen wir zum gemütlichen und lustigen Teil: jetzt gibt’s die richtig guten Weine und die Unterhaltung. Zuvor aber genießen wir es uns mit Parfums und Duftölen das Haupt zu salben. Wir setzen uns Kränze aus Blumen auf, denn wir möchten ja gut aussehen und dann geht es los. „Bene vobis!“ oder für die, die mich kennen: „Bene tibi!“
Wir sind im Elysium angekommen, auf der „Insel der Seligen“ sozusagen oder wie wir heute sagen würden: Das Highlight des Abends bricht an.
Wir liegen in lockerer Runde auf unseren Klinen und beginnen ein paar Gespräche. Das Essen und der Wein bilden dabei natürlich wichtige Themen, aber vergessen Sie nie: „de gustibus non est disputandum!“, sprich: Über Geschmack streitet man nicht! Auch Gedichte werden vorgetragen, Lieder werden gesungen oder auch philosophische und literarische Werke rezitiert. Ein passendes Werk etwa wäre dies Gedicht von Ovid:
Dort gibt’s außer dem Wein etwas zu suchen für dich.
Amor, der purpurne, hat des dort verweilenden Bacchus
Hörner mit zärtlichem Arm häufig gefasst und gedrückt;
Und besprengete Wein des Cupido durstige Flügel,
Bleibet er und stehet fest auf dem genommenen Platz.
Freilich schüttelt er schnell sich ab die triefend Schwingen,
Doch es gefährdet, wenn Lieb‘ auch nur besprenget die Brust.
Wein bereitet den Geist und macht für die Glut ihn empfänglich;
Sorgen werden verscheucht oder vermindert durch Wein.
Dann kommt Lachen, es fasst dann Mut sich wieder der Arme,
Dann verschwinden der Schmerz, Sorgen und Falten der Stirn.
Dann eröffnet das Herz Aufrichtigkeit, die so selt’ne
Unserer Zeit, denn der Gott scheuchet die Ränke hinweg.
Dort ward Jünglingen oft ihr Herz von den Mädchen geraubet,
Und Cythereia war Feuer in Feuer beim Wein.
Aber vertraue zu sehr hier nicht der trügenden Lampe;
Richtigem Urteil ist schädlich die Nacht und der Wein.
Paris beschaute bei Tag und im Freien der Göttinnen Reize,
Als er zur Venus sprach: „Beide besiegetest du.“
Nachts sind Fehler versteckt, und kein Gebrechen erkennt man,
Diese Stunde verschönt jede, wie immer sie sei.
Über Gemmen befrag‘ und purpurfarbige Wolle,
Über das Antlitz frag‘, über den Körper den Tag!
Später dann treten auch Tänzerinnen auf und Musik wird gespielt. Ein herrlicher Abend!
Und seien Sie jetzt froh, dass Sie bei mir zu Gast sind und nicht etwa bei Catull, denn bei dem hätten Sie bis auf die erlesene Salbe alles selber mitbringen dürfen, wie er seinem Freund Fabull schrieb:
„Herrlich sollst du, Fabullus, nächster Tage bei mir
speisen, sofern dir hold die Götter.
Falls du nämlich die Mahlzeit, gut und reichlich, selbst mitbringst und ein hübsches
Kind, den Wein auch und das Salz und ein fröhliches Gelächter.
Bringst Besagtes du mit, mein feiner Knabe, herrlich speisest du dann. Denn
dein Catull hat nichts im Beutel als Spinnweben.“
Naja, immerhin kann man so verhindern etwas zu essen zu bekommen, das man nicht mag.
Als Ausgleich dafür bot Catull zumindest mal ein feines
Balsam an, der von den „Liebesgöttern“ selbst stammen soll und so wunderbar,
dass wenn Fabull ihn riecht er „die Götter anflehn [soll]:
Machet Euren Fabullus ganz zur Nase!“[30]
In diesem Sinne wünsche ich nun Guten Appetit! und freue mich darauf, wenn wir uns bei den Germanen und ihrer Esskultur bald wieder treffen!
SALVE!
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0
[1] Livius 39,8f., Übersetzung: Konrad Heusinger.
[2] Martial, Epigramme 11.52.1,13-16.
[3] Plinius d. Ä., nat. 8,31.
[4] Martial, Epigramme, 13,76.
[5] Plutarch, Cat. 56.
[6] Plinius, ep. 3,12.
[7] Petron, Sat. 31,3ff.
[8] Plinius d.J., e. I,15.
[9] Sollten Sie „moretum“ selber einmal ausprobieren wollen, dann gebe ich Ihnen hier mal schnell ein Rezept:
200 g Schafskäse (fest)
50 g Pecorino
1-2 Knoblauchzehen
nach Geschmack frisches Selleriegrün und Koriander
ebenfalls nach Geschmack frische Raute
1 EL Olivenöl, Aceto balsamico oder Rotweinessig.
Dies alles zerkleinern und zu einer Kugel formen.
[10] Verse 810-825.
[11] Übersetzung Wilhelm Binder / Walther Ludwig.
[12] Seneca, ep. mor. 95,27.
[13] Horaz, Oden 31,16.
[14] Valerius Maximus, Denkwürdige Taten und Worte II 5,5.
[15] ebd. II 1,9-10.
[16] 1. Juni.
[17] Ovid, Fasti VI 169-183; Übersetzung: Franz Böhmer.
[18] Plinius d. Ä., Nat. hist. IX, 66.
[19] Seneca, De consolatione 10,8f.
[20] Athenaios, Die Gelehrten beim Gastmahl, I 7 a-c.
[21] Historia Augusta, Aelius Spartianus, zitiert nach Massimo Montanari, Der Hunger und der Überfluß, S. 16f.
[22] Horaz, Satiren 1.6, 115ff.
[23] Horaz, Satiren 2.7,29ff.
[24] Historia Augusta, zitiert nach Massimo Montanari, Der Hunger und der Überfluß, S. 16ff.
[25] Ebd.
[26] Plinius d. Ä., Hist. Nat., XI, 4.
[27] Varro, De Re Rustica, III, 16.5, 16.10-11.
[28] Horaz, Satiren II, 8. Übersetzung C. M. Wieland. Projekt Gutenberg: http://gutenberg.spiegel.de/buch/horazens-satiren-5542/1
[29] Leicht abgeändert zitiert; Original s. Wilfried Stroh: http://stroh.userweb.mwn.de/schriften/degustibus.html
[30] Catull, Carmina 13, Einladung an Fabull, s. http://www.gottwein.de/Lat/catull/catull013.php
Beitragsbild:
Kochen wie im Alten Rom, Foto aufgenommen im Archäologischen Park Xanten (APX) –
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0
Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen
3 Kommentare
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Martina Frank
So ein wunderbar lebendig geschriebener Artikel! Sehr informativ, merci vielmal!!
A. Kircher-Kannemann
Herzlichen Dank!