Ausstellung „Europa in Bewegung“ – LVR-Landesmuseum Bonn

Europa ist in Bewegung und das nicht erst seit heute oder gestern. Europa war schon immer ein Kontinent, der in Bewegung war, sich bewegte und auch andere in Bewegung setzte. Genau diese Tausende Jahre andauernde Bewegtheit ist es, die die Ausstellung „Europa in Bewegung – Lebenswelten im frühen Mittelalter“ im LVR-Landesmuseum Bonn den Besucherinnen und Besuchern vermitteln möchte.


Schon die Ausstellung selbst ist eigentlich Bewegung, denn sie entstand als Ergebnis der Zusammenarbeit vieler europäischer Museen und des Projekts „Connecting Early Medieval European Collections“. Mit dabei sind neben dem LVR Landesmuseum Bonn und der Universität Bonn, auch die Universität von Amsterdam, das Allard Pierson Museum Amsterdam, das Magyar Nemzeti Museum Budapest und die dortige Universität, das Byzantinische und christliche Museum Athen sowie viele weitere Museen und Institutionen in Rom, Jaén, Dublin, Brüssel, Darmstadt und Hilversum. Ein buntes, facettenreiches Projekt und das Ergebnis ist eine bunte und facettenreiche Ausstellung.


Plakat zu der Ausstellung „Europa in Bewegung. Lebenswelten im frühen Mittelalter“ im LVR-LandesMuseum Bonn. Foto: Ungarisches Nationalmuseum, Budapest.
Plakat zu der Ausstellung „Europa in Bewegung. Lebenswelten im frühen Mittelalter“ im LVR-LandesMuseum Bonn. Foto: Ungarisches Nationalmuseum, Budapest.

6 Menschen, 1 Elefant, 7 Geschichten und viel Bewegung

Sieben Menschen des frühen Mittelalters sind der rote Faden dieser Ausstellung und gleichzeitig eigentlich auch unsere BegleiterInnen beim Gang durch die Ausstellung. Da ist zuerst Theophanu (ca. 960-991) jene byzantinische Prinzessin, die mit nur zwölf Jahren mit dem König Otto II. (955-983) verheiratet wurde. Mit dieser Heirat begann für sie ein Leben in ständiger Bewegung, denn nicht nur, dass sie von Byzanz ins Reich der Franken reisen musste, auch als sie dort ankam ging das Reisen weiter. Anders als im byzantinischen Reich gab es im fränkischen keine wirkliche Residenz, regiert wurde das Reich nicht von einem Ort aus, sondern vom „Rücken der Reitpferde, Saumtiere und Wagen“[1] aus mit denen der Hof in stetem Zug von Ort zu Ort unterwegs war.

Sie prägte und sie beeindruckte den fränkischen Hof diese junge „Griechin“, die viele Schätze und Kostbarkeiten aus ihrer Heimat mitbrachte und auch eine gewisse Lebensweise gleich mit importierte. Als Regentin verschaffte sie sich nach dem Tod ihres Mannes Respekt und Anerkennung und wurde zum Vorbild für so manch andere Frau, die nach ihr kam.

Die zweite Gestalt, die uns begegnet ist Chasadi ibn Schaprut (910-970). Er war ein jüdischer Gelehrter, geboren im heutigen Spanien. Er ist belesen und gelehrt, lernt Hebräisch, Arabisch und Latein. Er gründet eine Talmudschule, aber auch Pharmazie und Medizin interessieren ihn. Als Diplomat ist er am Hofe des Kalifen von Cordoba tätig und unterhält persönliche Kontakte zu allen Größen seiner Zeit, wie dem Herrscher der Chasaren, dem König von Léon und den Gesandten Ottos I. (912-973).

Und dann ist da Egeria, deren Lebensdaten wir nicht kennen und von deren Existenz wir nur wissen, weil es zwei bruchstückhafte Texte aus dem 10. bzw. 11. Jahrhundert gibt, die von ihr und ihrer Reise berichten. Sie muss eine beeindruckende Frau gewesen sein, denn in den Jahren 381 bis 384 reiste sie von Nordspanien aus ins Heilige Land. Eine Pilgerreise von der sie höchstpersönlich auf Latein berichtete. Vielleicht war sie eine Nonne, aber so genau weiß man es nicht. Beeindruckend aber ist sie auf alle Fälle.

Die vierte Gestalt, die uns in Empfang nimmt und von ihrem Leben und dem bewegten Europa des Frühmittelalters berichtet ist Olympiodoros von Theben (ca. 375-nach 425). Wie sein Beiname schon vermuten lässt, stammte er aus Theben. Auch er war ein gelehrter Mann, sprach Koptisch, ebenso wie Latein und Griechisch. Geografie war offenbar eine seiner Leidenschaften, ebenso wie eine gewisse Abenteuerlust, da lag es nahe Diplomat in Diensten des Kaisers zu werden. In eben diesen Diensten reiste er zu den Hunnen in den Donauraum und schipperte über den Nil bis in den Sudan. Von all diesen Erlebnissen und Erfahrungen berichtet er in einem Geschichtswerk, das er in Altgriechisch verfasste. Er berichtet über Thrakien, Griechenland, die Türkei, über Ravenna Aemona Athen und Rom und wurde so zu einem der wichtigsten Zeugen für dieses oft als dunkel bezeichnete Zeitalter.

Ottar aus Hålogland – ein Seefahrer und Händler aus Norwegen, der im 9. Jahrhundert lebte, war ein weitgereister Mann. Von seiner Existenz wissen wir nur durch eine Schrift, die König Alfred der Große von Wessex (848/9-899) anfertigen und in die er eine Beschreibung des Landes der Nordmänner einfügen ließ. Diese Beschreibung stammt von eben jenem Ottar, der auf seinen Reisen nicht nur nach Wessex kam, sondern auch nach Russland, Irland und Dänemark.

Ein Elefant ist unser letzter Reisebegleiter in der Ausstellung „Europa in Bewegung“. Abul-Abbas ist sein Name, gestorben ist er im Jahr 810. Warum wir von diesem Elefanten wissen, seinen Namen kennen und sein Todesdatum? Nun, er war ein Geschenk. Harun-al-Raschid schenkte Karl dem Großen eben diesen indischen Elefanten und weil seine Geschichte so schön ist, zitiere ich hier einfach mal den Katalogtext:


„Isaac, ein jüdischer Kaufmann, Dolmetscher und Gesandter Karls, führt 801 den Elefanten im Jahr entlang der südlichen Mittelmeerküste über das heutige Ägypten und Libyen bis ins heutige Tunesien. Eine Flotte Karls des Großen bringt ihn von Karthago nach Genua. In Vercelli am Lago Maggiore überwintern sie und überqueren im folgenden Frühjahr die Alpen. In Aachen wird er mit zahlreichen anderen kostbaren Geschenken an Karl übergeben. Der Elefant begleitet Karl den Großen auf seinen Reisen von Pfalz zu Pfalz und vor allem auf seinen Kriegszügen. Die Reichsannalen berichten, dass er 810 nach Überquerung des Rheins bei Lippeham, wahrscheinlich im Bereich des heutigen Wesel, plötzlich verstirbt. Doch er wird nie ganz vergessen. Als im 18. Jahrhundert bei Wesel Mammutknochen gefunden werden, schreibt man sie diesem legendären Elefanten zu.“


Cross Culture Timeline (CEMEC, NoHo Dublin ) in der Ausstellung Europa in Bewegung im LVR-LandesMuseum Bonn. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.
Cross Culture Timeline (CEMEC, NoHo Dublin ) in der Ausstellung Europa in Bewegung im LVR-LandesMuseum Bonn. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

Bewegung virtuell, medial und erlebbar

Am Beginn der Ausstellung empfängt den Besucher ein kleines „Kino“. Zu sehen ist ein Film, der die sieben Gestalten, die uns durch die Ausstellung begleiten werden, ihre Geschichten erzählen lässt. ein schöner Einstieg, der uns schon einmal in diese doch so fremde und ferne Welt entführt, die mehr als tausend Jahre vergangen ist und von der wir nur sehr wenig wissen.

Als dunkel gilt diese Zeit zwischen dem 4. und dem 10. Jahrhundert, als Zeit des Umbruchs und der Kriege. Doch der Film zeigt schon bald, dass sie gar nicht so dunkel gewesen sein kann, dass sie eher farbig war, bunt, facettenreich und vielgestaltig. Und der Film zeigt auch, dass sie ausgesprochen bewegt war diese Zeit und Globalisierung und Bewegung beileibe keine Erfindungen der Neuzeit darstellen.

Neben vielen klassischen Exponaten, wie Fibeln, Waffen, Schmuck, Geschirr, Codices und anderen Dingen gibt es in der Ausstellung immer wieder auch multimediales, das das Leben im Frühmittelalter für den Besucher sichtbarer und vor allem erfahrbarer macht. Eine gelungene Mischung aus Storytelling, interessanten Exponaten und moderner Ausstellungstechnik, die die Organisatoren der Ausstellung hier zusammengefügt und zu einem gelungenen Ganzen gemacht haben.


Das Erbe Roms in der Ausstellung Europa in Bewegung im LVR-LandesMuseum Bonn. Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.
Das Erbe Roms in der Ausstellung Europa in Bewegung im LVR-LandesMuseum Bonn.
Foto: J. Vogel, LVR-LandesMuseum Bonn.

7 Themen in Bewegung

Sieben grundlegende Themen sind es, die die Ausstellung mit mehr als 300 Exponaten anschaulich macht:

  • Die Vielfalt der Kulturen
  • Das Erbe Roms
  • Die Überlieferung und Weitergabe von Wissen,
  • Glaubensfragen,
  • Krieg und Diplomatie,
  • Die Identität der einzelnen Gruppen und
  • Die Verbindung der Regionen

Lebendig werden die Themen und Geschichten vor allem durch die sogenannten Holoboxen, die jeweils ein Exponat in den Mittelpunkt einer Geschichte stellen. Die Geschichten sind fiktiv, aber sie hätten, nach allem was wir wissen, so geschehen können. Vor allem aber lassen uns diese Geschichten in die Welt des frühen Mittelalters eintauchen und das deutlich intensiver als jedes Exponat allein – und sei es noch so schön – je könnte.

Die Ausstellung „Europa in Bewegung – Lebenswelten im Frühen Mittelalter“ läuft noch bis zum 25. August 2019 im LVR-Landesmuseum in Bonn, ebenso wie die zweite Sonderausstellung „Ritter und Burgen – Zeitreise ins Mittelalter. Eine Mitmachausstellung“ und auch die hat mit der magischen „7“ zu tun.

Zur Ausstellung gibt es sowohl einen Katalog, der für 22 Euro im Museumsshop erhältlich ist, als auch ein Begleitheft für 3,50 Euro, das zahlreiche Zusatzinformationen für den Rundgang durch die Ausstellung liefert.
Das Begleitheft gibt es übrigens zur Vorbereitung auf die Ausstellung auch als Download auf der Seite des LVR-LandesMuseums.


Fingerring mit Goldmünze des byzantinischen Herrschers Phocas aus Vochem. Anfang des. 7. Jahrhunderts n. Chr. LVR-LandesMuseum Bonn. Foto: J. Vogel, LVR-Landes-Museum Bonn.
Fingerring mit Goldmünze des byzantinischen Herrschers Phocas aus Vochem. Anfang des. 7. Jahrhunderts n. Chr. LVR-LandesMuseum Bonn.
Foto: J. Vogel, LVR-Landes-Museum Bonn.

„Europa in Bewegung“ – LVR-LandesMuseum Bonn

Rheinisches Landesmuseum für Archäologie, Kunst- und Kulturgeschichte
Colmantstraße 14-16
53115 Bonn

Öffnungszeiten:

Dienstag bis Freitag und Sonntag: 11:00 bis 18:00 Uhr
Samstag 13:00 bis 18:00 Uhr

Eintrittspreise:

Erwachsene: 8 Euro
ermäßigt: 6 Euro
Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren: freier Eintritt


[1] Wilhelm Janssen: Ein niederrheinischer Fürstenhof um die Mitte des 14. Jahrhunderts, in: Rheinische Vierteljahresblätter 34 (1970), S. 219-246, hier S. 225.

P. S.: Dieser Beitrag ist „Irgendwie Werbung“ denn nach einer Anfrage meinerseits bzgl. eines Blogbeitrags über das Museum LVR-Landesmuseum in Bonn musste ich keinen Eintritt bezahlen und erhielt eine Führung durch das gesamte Museum, sowie ein kostenloses Katalog-Exemplar. Hiermit wurden keinerlei Bedingungen verknüpft. Die Anreise habe ich selber finanziert.
Ich bedanke mich an dieser Stelle herzlich beim LVR-Landesmuseum und speziell bei Stephanie Müller für die kostenfreie Überlassung von Katalog und Begleitheft zur Ausstellung „Europa in Bewegung – Lebenswelten im frühen Mittelalter“ und die wirklich tolle und spannende Führung durch das Museum und die Ausstellung.

Beitragsbild:
Der Eingang zur Ausstellung „Europa in Bewegung – Lebenswelten im frühen Mittelalter“ im LVR-Landesmuseum in Bonn zeigt den Thron Karls des Großen im Aachener Dom
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

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