Gelduba oder die Römer zwischen gestern und morgen – 3. #Kulturwoche: Donnerstag

Um Christi Geburt war es – wobei, das wusste damals noch niemand – da siedelten sich ein paar wenige Menschen aus dem Römischen Reich an dessen äußerster Grenze an.
Einen kleinen „vicus“ haben sie gebaut an einem ziemlich großen Fluss, der die Grenze des Reiches war – Limes nannte man die.
„Siser“ [1] wuchs hier gut und das war gut, denn „siser“ war in Rom ausgesprochen beliebt, vor allem bei den Reichen, vor allem beim Kaiser. So beliebt war ihr „siser“, dass sogar dieser weit entfernt lebende berühmte Literat und Naturwissenschaftler namens Plinius über sie schrieb.[2] Das war doch was. Woanders hätte man soviel Ruhm und Aufmerksamkeit wohl nicht bekommen. Man hatte sich also offenbar den richtigen Platz zum Siedeln ausgesucht und hatte ein gutes Leben vor sich.

Dann aber kam alles anders: Die Bataver erhoben sich. Eigentlich waren sie ja treue Verbündete der Römer und eigentlich hatte man von ihnen nichts zu befürchten, aber jetzt auf einmal im Jahr 69, das sowieso ein schlimmes Jahr war, denn Otho, Vitellius und Vespasian erhoben sich gegen den Kaiser Galba und im Reich herrschte Chaos. Vielleicht war das ja auch der Grund, dass die Bataver dachten: „Jetzt oder nie“, wer weiß das schon.
Jedenfalls wuchs sich die Erhebung aus, die Bataver belagerten und zerstörten jede römische Siedlung, die sie fanden, Vetera zum Beispiel, das man heute Xanten nennt und auch unsere Siedlung: Gelduba hat man sie genannt …


Stadttor Xanten APX
Rekonstruktion eines Stadttores der Colonia Ulpia Traiana – Xanten
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Gelduba – Vom „vicus“ zum Kastell

So wie Vetera erstand auch Gelduba wieder auf, aber nicht mehr als „vicus“, sondern diesmal als „castrum“. Die Römer errichteten ein Kastell, um genau zu sein ein Hilfstruppenlager. Etwa 500 Mann waren hier stationiert. Zugegeben, damit war man nicht unbedingt eine Metropole im Römischen Reich, aber immerhin doch ganz ansehnlich und zwischenzeitlich beherbergte man sogar eine Reitereinheit. Wieder einmal hätte es also schlechter aussehen können.

Das ging so bis um das Jahr 256/57, da kamen die Franken. 259 muss es wohl gewesen sein, da wurde Gelduba ein zweites Mal zerstört. Aber wieder erstand es auf. Das Kastell wurde neu gebaut, aus Stein und daneben ein Dorf, wo sich Handwerker, Händler und Bauern ansiedelten. Gelduba erreichte eine neue Blüte und die hielt auch weiter an, auch als die römische Herrschaft längst Geschichte war, war Gelduba noch immer ein blühender Ort. Das blieb so bis ins 8. Jahrhundert. Was dann geschah, das weiß so recht niemand: Gelduba wurde aufgegeben, die Menschen verschwanden und mit ihnen der Ort. Nichts erinnerte mehr an sie und niemand siedelte sich hier mehr neu an. Nur Felder waren hier und ein Stück entfernt der Rhein, der einst der „nasse“ Limes war.

Und eine alte Geschichte erzählten die Menschen in den angrenzenden Dörfern immer noch gerne, dass nämlich dort, wo jetzt nur noch Felder waren, einmal ein König begraben worden sei …

Das ging so bis ins 19. Jahrhundert, da kamen die ersten Raubgräber und fanden viele kostbare und weniger kostbare Dinge im Boden der Felder von Gellep, wie der Ort inzwischen hieß. 1896 hat ein Krefelder Gymnasiallehrer namens August Oxé zum ersten Mal versucht mit Hilfe der noch recht neuen Wissenschaft der Archäologie hier den Boden zu erkunden, aber das verlief im Gelleper Sand.

Anfang der 1930er Jahre lebte das Grabungsfieber wieder auf, als beim Spargelanbau wieder einiges zutage trat und das rief den Rektor einer Krefelder Schule und studierten Geologen Albert Steeger auf den Plan. Was er fand begeisterte ihn derart, dass er 1936 den Schuldienst verließ und sich ganz und gar Gellep zuwandte.

Nach dem Tod von Albert Steeger im Jahr 1959 kam Renate Pirling und führte die Grabungen jahrzehntelang weiter. Noch 2008 gab es eine große Grabung und inzwischen hat man nicht nur das alte römische Kastell gefunden, sondern vor allem annähernd 6.500 Gräber, die von der Römerzeit bis ins 8. Jahrhundert reichen und das ohne eine Pause dazwischen.


Rekonstruktion Limesturm
Rekonstruktion eines Limesturms nahe Butzbach, Hessen –
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

Gelduba – Vom Kastell zum virtuellen Erlebnisraum

So wie „Vetera“ bzw. die „Colonia Ulpia Traiana“ auch ein weiteres Mal wieder auferstand, so soll nun auch das antike Gelduba noch einmal wieder auferstehen.

Erstehen soll ein Archäologischer Landschaftspark. Für die Idee eines solchen Parks stehen Jennifer Morscheiser, Leiterin des Museums Burg Linn und der Krefelder Oberbürgermeister Frank Meyer. Der Zeitpunkt für eine solche Entscheidung hätte kaum besser gewählt sein können, denn aktuell läuft ein Bewerbungsverfahren auf Anerkennung des „Niedergermanischen Limes“ als UNESCO-Welterbe. Krefeld möchte mit dem ehemaligen Kastell Gelduba „zwischen Xanten und Köln der zentrale Limes-Vermittlungspunkt sein“, wie Jennifer Morscheiser erklärte.

Läuft alles nach Plan, dann dürfte der Antrag auf Anerkennung als Kulturerbe, der von den Ländern Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und den Niederlanden gemeinsam eingereicht wurde, 2021 genehmigt werden und damit wäre dann die komplette ehemalige Grenze des Römischen Reiches als Welterbe eingetragen.

Um Gelduba und das alte römische Kastell wieder auferstehen zu lassen muss allerdings viel geschehen, denn aktuell finden sich an dessen altem Standort nicht viel mehr als Wiesen und Gestrüpp – eine Situation, die einem Ort von derartiger historischer Bedeutung nicht wirklich gerecht wird. Deshalb möchte Frau Morscheiser für dieses Gelände Vergangenheit und Zukunft zusammenführen, indem das Gelände des ehemaligen Kastells nicht nur historische Funde präsentiert, sondern auch zukunftsweisend für die Menschen in und um Krefeld zu einem Naherholungsgebiet mit ökologischem Nutzen wird.

Es geht also nicht nur darum einen Kastellturm wieder zu errichten und den Wallgraben des Kastells wieder sichtbar zu machen, es geht auch um Renaturierung etwa der Streuobstwiesen. Um dem ökologischen Gesichtspunkt weiter Rechnung zu tragen, soll das Gebiet an das Radwegenetz angeschlossen werden, so dass es nicht nur mit dem Auto erreicht werden kann.

Neben den Bildungs- und Lerngedanken tritt auch die Erholung in Form eines Grillplatzes, eines „römischen“ Spielplatzes für Kinder und eines Fitnesspfades, die auf dem Gelände entstehen sollen.

Die Grenze zur Zukunft aber sollen die Römer hier auch überschreiten und zwar mit Hilfe von Augmented Reality. Beispielsweise soll eine App das Kastell wieder sichtbar machen und Fernrohre in die virtuelle Welt der Römer blicken lassen, ähnlich, wie es sie auch im archäologischen Park auf dem Glauberg für die Keltenwelt gibt.

Das Projekt ist ehrgeizig, zumal der Zeitplan, denn in nicht mal einem Jahr möchte man mit der Umsetzung beginnen und wenn es irgend geht natürlich zum Welterbestart des „nassen Limes“ auch bereit sein. Erleben kann man dann, wenn alles klappt, die Römer 2.0.
Übrigens: Ritter 2.0 gibt es im Museum Burg Linn bereits und ich habe schon mit ihnen gespielt.

Römer am Limes
Die Römer und der Limes in Hessen –
Foto: A. Kircher-Kannemann, CC-by SA 4.0

An dieser Stelle gilt mein herzlicher Dank Frau Dr. Jennifer Morscheiser, die mir zahlreiche Informationen zum geplanten archäologischen Park zukommen ließ.


Beitragsbild:
Rekonstruktion des ehemaligen Kastells Gelduba und die heutige Lage – Foto: Museum Burg Linn


[1] Was übrigens „siser“ war, das haben die Gelehrten bis heute nicht herausgefunden. Man weiß nur, dass Kaiser Tiberius den aus Gelduba wohl besonders schätzte.
[2] Plinius: Historia naturalis, 19,90.

Dr. Anja Kircher-Kannemann
Dr. Anja Kircher-Kannemann

Promovierte Historikerin, Autorin, Kulturvermittlerin und Bloggerin.
Themen: digitale Kulturvermittlung – #digKV – Social Media – Storytelling – Geschichte(n) erzählen

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